Mittwoch, 31. Juli 2019

St. Petersburg (2) (13.-17.7.)


Peterhof
Wohin fährt der Trolleybus Nr.7? Wie gelangt man ohne lange Wartezeit in die Eremitage? Solche und viele weitere Problemchen löst man heutzutage mit Hilfe des Internets. Was aber tun, wenn einem keins zur Verfügung steht? Mit ihrer Erfahrung aus Kaliningrad und den Sprachkenntnissen der Besatzung der „Element“ war der Kauf einer russischen SIM- Karte völlig problemlos und preiswert und damit stand mir die große weite Welt wieder offen. Leider bestätigte sich recht bald, dass Petersburg nicht gerade hundefreundlich ist. Maulkorbpflicht im Bus, Hundeverbot in Parkanlagen , an vielen historischen Orten (Peter- Pauls-Festung z.B.) und in Gaststätten generell. So ließen wir Paule aller zwei Tage im Boot, was er uns zum Glück nach dem ersten stressigen gemeinsamen Tagesausflug nicht übelnahm. Schlenderten wir am ersten Tag relativ ziellos am Ufer der Newa entlang und bewunderten Ausblick und die ersten Sehenswürdigkeiten im Vorbeigehen (Peter- und Paulsfestung, Newski- Prospekt, Kasaner Kathedrale, „Haus des Buches“, farbenprächtige Auferstehungskirche…), nutzten wir den zweiten dann, um in der Unterwelt Petersburgs (Metro) zu verschwinden und die schönsten U-Bahnstationen abzufahren und zu bestaunen. Züge, die im Lichte von Kronleuchtern einfuhren, Puschkin-Denkmal mit frischen Blumen, Marmor, Glas, Mosaiken und Reliefs ließen uns an eine Palasttour unter der Erde glauben.



Auf dem Palastplatz mit der Alexandersäule in der Mitte (600t, 47,5m hoch, zur Erinnerung an den russischen Sieg über Napoleons Armee) und dem grün- weiß- goldenen Winterpalast (Eremitage, 1500 Räume), dem wohlbeliebtesten und bekanntesten Ort Petersburgs, genossen wir Straßenmusik und „guckten Leute“.


Essen gingen wir, wie viele Russen, nicht in touristische Restaurants, sondern in Stolowajas (Esszimmer). In unterschiedlichen Ausführungen über die ganze Stadt verteilt, hatten sie eines gemeinsam: reichliches, preiswertes Essen ohne Speisekartenstress- man stellt sich einfach in einer Schlange an und zeigt mit dem Finger auf die, in verglasten Theken sichtbaren Speisen, sammelt sie auf dem Tablett und bezahlt am Ende an der Kasse. (Salat/Suppe, Hauptgericht, Dessert, Getränk zusammen zwischen 3,50€- 6€!) Am Panzerkreuzer „Aurora“, der 1917 den Startschuss zum Sturm der Arbeiter und Matrosen auf das Winterpallais und damit den Beginn der Oktoberrevolution gab, trafen wir Lenin, Zar Peter der Erste war gefühlt überall in der Stadt zu sehen.


Die Russen empfanden wir als eher zurückhaltend aber freundlich und, in für uns schwierigen Situationen, sehr hilfsbereit. Das Handy ist über alle Altersklassen hinweg auch hier das wichtigste „Kleidungsstück“. Schon bei unserer Ankunft hatten wir die „Raketenboote“ auf der Newa bestaunt, nun wollten wir sie selbst ausprobieren. Zum Peterhof vor die Tore der Stadt fuhren sie, ab der Innenstadt, aller 30 Minuten. Kaum saßen wir und hatten einige Fotos geknipst, schon waren wir gefühlt am Ziel (in Wirklichkeit 40 Minuten!). Man landet direkt am Ende des ca. 400m langen Kanals des Palastes zur Ostsee. Hier trafen wir auch Armgard und Swen- Olaf und kamen mit jedem Schritt  dem weltgrößten Wassersystem von Fontänen und Kaskaden der prächtigen Sommerresidenz der russischen Zaren des 18./19. Jh. näher.


Obwohl die Anlage erst anderthalb Stunden geöffnet war, bewegten wir uns nicht als Einzige in diese Richtung. Das „russische Versailles“, als Muster der Barockarchitektur, zählt als meistbesuchte Sehenswürdigkeit ganz Russlands! Goldene Statuen, flirrendes Wasse, das Grün der Parkanlagen- man konnte sich nicht satt sehen. Nach einem Bummel durch den unteren Park mit weiteren kleinen Palästen, Brunnen und variantenreicher Gartenarchitektur, überredeten wir die Männer nach einem kurzen Imbiss auch noch zum Besuch der oberen Gärten (nochmals 15ha!). Wurde er unter Peter dem 1. noch als Gemüsegarten genutzt und die Teiche dienten der Fischzucht, verwandelte er sich in der 2. Hälfte des 18. Jh. in ein weiteres prächtiges Beispiel der Gartenbaukunst (Lindenalleen, Lauben, Rosengarten, Teiche, Brunnen, Skulpturen).


Hier zeigten sich dann aber bald bei uns allen deutliche Ermüdungserscheinungen und so wählten wir für den Rückweg das vor den Toren abfahrende Linientaxi (Kleinbus für ca. 20 Leute). Schon vor Beginn unserer Reise stand, im Falle eines  Erreichens Petersburgs, ein Besuch der Eremitage auf der Wunschliste. Carsten konnte dem nicht so viel abgewinnen und blieb mit Paule auf dem Boot. So versuchten wir zu dritt, ausgestattet mit den verschiedensten Tipps und Hinweisen aus dem Internet, den schnellsten Weg hinein (die kürzeste Schlange) zu finden. Eine Reihe für Busgruppen, eine für vorgebuchte Karten aus dem Netz, eine für Führungen, eine für… gerade begann ich mich seelisch und moralisch auf mindestens 2 Stunden Wartezeit einzurichten, als wir in einer Ecke zwei kaum beachtete Ticketautomaten fanden. Auf direktem Wege gelangten wir so zu Eintrittskarten und konnten damit tatsächlich, an jeder der unzähligen Reihen vorbei, die heiligen Hallen der Kunstsammlung betreten. Jährlich sollen über 3 Mio. Besucher das von Katharina der Großen erschaffene Museum besuchen, welches aus 5 Gebäuden mit ca. 3 Millionen Exponaten besteht. Von „ermitage“ (franz. für „Ort der Einsamkeit“) waren wir also weit entfernt… Da es unmöglich ist, sich alle Ausstellungsstücke anzusehen, konzentrierten Armgard und ich uns zuerst auf den Teil „Palasteinrichtung“. Welche Pracht und Vielfalt in der Gestaltung der Räume! Keiner glich nur annähernd einem anderen. Schon in diesem Teil kam man (auch dank Audioguide) kaum voran, so vielfältig waren die Exponate. Viele holländische, italienische, französische…alte Meister später landeten wir noch in der Antike und im Alten Ägypten und verließen nach ca. 3 Stunden voller Eindrücke das Museum. Die Schlangen davor waren eher länger geworden.

Eingangshalle mit großer Treppe

Das wäre mein Lieblingsraum!

Noch viele Tage hätten wir in dieser tollen Stadt verbringen können, haben längst nicht alles Sehenswerte gesehen. Aber so hat man wenigstens einen Grund, noch einmal wieder zu kommen… Doswidanja St. Petersburg!

Donnerstag, 25. Juli 2019

Sankt Petersburg (1) - (11.7./12.7.)


St. Petersburg- Russland. Seit zwei Jahren träumte Carsten davon, hier mit der KETO in den Hafen einzulaufen. Und nicht mal ich glaubte ernsthaft an einen Erfolg dieser Mission. Viel zu weit weg, viel zu lange Schläge (Paule!), zu viele unbekannte Bedingungen, zu umständlich, zu kompliziert. Warum sich dem aussetzen, wenn man doch per Flugzeug (ab Dresden) oder Fähre schneller und bequemer zum Ziel kommt? Noch zu Beginn des 2. Abschnittes der Ostseerunde war die Option bis Helsinki zu segeln und von dort mit der Fähre in die Stadt und zurück zu fahren für mich die weitaus realistischere Variante. Nun läuft aber dieses Jahr alles ein wenig anders: der Wind meint es von Beginn an gut mit uns, da es im Baltikum nicht so viele Häfen gibt, wie in Schweden sind die Törns fast immer länger und wir kommen damit einfach schneller voran. Auch die Begegnung und Gespräche mit Armgard und Swen- Olaf, die mit dem gleichen Ziel unterwegs sind, und die dadurch neu gewonnenen Informationen gaben mir zunehmend Sicherheit und holten die Reise der KETO nach St. Petersburg aus dem Reich der Träume.
Und nun liefen wir in den zentralen Yachthafen am Ufer einer der Newa-Inseln ein. Hochhauswände säumten steuerbords die Ufer bis hierher, links bestimmten Gazprom- Turm und – Stadion die Silhouette der Stadt. Die Fahrrinne der Meteorboote  (Schnellfähren, 60 km/h!) meidend, die Autobahnbrücke angstfrei unterfahrend (25m!), kamen wir uns bald vor, wie zu Besuch in einer anderen Welt. Dies bestätigte sich dann auch tatsächlich beim Versuch, uns beim Hafenmeister anzumelden. Die Wächter am Ende der Stege, die wir nach dem Weg fragten, verwiesen Swen und mich immer weiter entlang des Hafenbeckens, bis sich ein 3-stöckiges Gebäude auftat, welches schon bessere Zeiten gesehen hatte (80er Jahre?!). Mehrmaliges Nachfragen, ein Pförtner und ein Formular später landeten wir im 2. Stock auf der Couch vor dem richtigen Büro und wurden 5 Minuten vertröstet. Endlich erschien ein kompetent auftretender Mann, zückte resolut sein Handy mit Übersetzungs-App - und verstand doch nichts von dem, was wir versuchten ihm zu erklären. Zwei ausländische Boote ohne Anmeldung, die auf keiner Liste zu finden waren, sogar schon in seinem Hafen festgemacht hatten und 6 Nächte bleiben wollen- das überstieg scheinbar sein Vorstellungs- und Organisationsvermögen. Erst Swen- Olafs gute Idee, mit Stift, Papier und einigen russischen Worten unser Anliegen zu verdeutlichen trug Früchte. Viele A4- Blätter später hatte er die Pächter der Boxen, in denen wir lagen, herausgefunden und versuchte sie telefonisch zu erreichen, um zu erfragen, ob wir dort bleiben könnten. Ergebnis: Die „Element“ durfte, wir mussten ein paar Meter weiter auf die andere Seite des Steges wechseln. Umgerechnet 22,50 € kostete eine Nacht, dies schien uns in diesem Moment nicht zu viel. Vertragsformulare ausfüllen, ins Nachbarbüro gehen (Buchhaltung) und bezahlen, zum Pförtner gehen, Formular ausfüllen, Schlüssel für Sanitäranlagen dafür empfangen- fertig. Noch nicht ganz! Ein Begleiter wurde telefonisch herangerufen, der unser Boxenwechselmanöver unterstützen und kontrollieren sollte, da der eigentliche Inhaber schon „unterwegs“ sei… Box 4 am Steg 9 blieb übrigens bis zu unserer Abreise 7 Tage später leer…! Carsten und Armgard vermuteten zwischenzeitlich schon, dass wir Kaffee trinken gegangen sind, solange dauerte dieser eigentlich so einfache und sonst in 5 Minuten ablaufende Akt! In den nächsten Tagen stellte sich heraus, dass nicht nur Organisation und Gebäude, sondern die gesamte Anlage des Hafens einer Weltstadt wie St. Petersburg unwürdig war. Mit hohem personellen Aufwand bewacht, dabei aber ungepflegt und dringend sanierungsbedürftig. Dabei tummelten sich im Hafen die „Reichen und Schönen“, lagen millionenschwere Boote vor Ort und wurden deren Besitzer z.T. mit dem Hubschrauber eingeflogen- ein Wiederspruch, den wir uns nicht erklären konnten. Ein russischer Stegnachbar erklärte uns auf eine diesbezügliche Frage, das sei „russische Realität“. Das sollten wir noch häufiger zu hören bekommen…
An der Spitze der Insel liegt unser Hafen...

Hafenmeistergebäude


Wir haben es geschafft!

Auf die Frage nach dem nächsten Haltepunkt eines öffentlichen Verkehrsmittels wurden wir auf ein Taxi verwiesen, die Telefonnummer gab’s gleich inklusive. Da sich aber unweit des Hafengeländes eine Bushaltestelle befand und aus unserer Erfahrung Bus fahren sehr preiswert ist (Kaliningrad, 0,50€ pro Fahrt), erkundeten wir in Folge das Zentrum mit diesem Verkehrsmittel. Außerdem durfte Paule sowieso nicht mit in die Metro (nur in einer verschlossenen Box lautet die Regel! Wer auch immer die dann trägt…?), sodass uns mit ihm nichts anderes übrig blieb. Wo aber anfangen in der „Kulturhauptstadt Russlands“? Mit ihren über 2300 Prunkbauten, Palästen und Schlössern seit 1991 Weltkulturerbe (UNESCO), den vielen sehenswerten Plätzen auch außerhalb der Stadtgrenze und mit ihrer bedeutenden Historie (Zar Peter der 1.und folgende, Oktoberrevolution, Leningrad…), wurde uns die Entscheidung nicht gerade leicht gemacht. Und so liefen wir den ersten Tag vor Ort bei trübem Wetter einfach durch die Straßen und versuchten einen ersten Eindruck zu erhaschen
Ausblick vom Steg: Gazpromstadion und - turm

Samstag, 20. Juli 2019

Russland- wir kommen! (7.7.-10.7.)




Das Reisen per Segelboot nach Russland ist eigentlich nur deswegen so schwierig, weil es fast keine gesicherten offiziellen Informationen dazu gibt. In Internetforen und über Mundpropaganda hörten und lasen wir viel, aber einen sicheren Plan konnte man von den verschiedenen Angaben und Meinungen nicht ableiten, da jeder etwas anderes behauptete oder die Aussagen älteren Datums waren. Erst in Kotka (Stadt in Ostfinnland) entschieden wir uns („Element“ und „KETO“), nach logisch klingenden Aussagen von russischen Seglern, auf der finnischen Schäre Santio auszuklarieren, ca. 73sm nach Kronstadt (Fort Konstantin) zu segeln und dort in Russland einzureisen. Dass man an beiden Zollstegen über Nacht bleiben kann, wurde uns ebenso bestätigt. Nach einem Volltanken der Boote (Wasser+ Lebensmittel+ Diesel) ging es am 9.7. 26 sm durch die Schärenlandschaft nach Santio. Gegen 17.30 Uhr erwarteten uns schon zwei freundliche Beamte am Zollsteg, die eine kurze Einweisung gaben- nicht weiter als bis zur Trockentoilette laufen (20m), auch die Hunderunde auf dieses Gebiet begrenzen, Ausklarierung am nächsten Morgen um 8.00 Uhr- und per Schlauchboot rasend schnell verschwanden. Bis hierher stimmte also unser Plan…Am Morgen des neuen Tages waren sie tatsächlich pünktlich am Steg, sammelten Pässe und Kopien der Papiere ein, schauten kurz durchs Boot und schon 9 Uhr ging es mit guten Wünschen und um ein paar Süßigkeiten und Brillenputztücher reicher auf die nächste Etappe. 



Wind und Wetter meinten es lange Zeit gut mit uns, die Welle war klein, die Temperaturen auszuhalten. Ungefähr die Hälfte der Strecke lag hinter uns, als sich der Himmel am Horizont verdunkelte und der Wind deutlich auffrischte. Bei Am-Wind-Kurs (Kurs mit größter Krängung) ca. 25° schief liegend zogen plötzlich so ruppige böige Winde über uns hinweg, dass mir angst und bange wurde. Zeitgleich musste exakt navigiert werden, da nur ein schmaler Streifen zwischen gesperrten militärischem Übungsgebiet rechter Hand und dem links liegenden flachen Ufer befahren werden konnte. Der Wind wurde immer stärker, das Segel musste gerefft werden und Carsten dazu vor an den Mast. Obwohl mir fast übel vor Angst war, blieb mir nichts anderes übrig, als zitternd das Ruder zu übernehmen. Alles ging gut, nur die Wettersituation verbesserte sich nicht. Mittlerweile war es Abend, die Temperaturen extrem gesunken und die Zeit schien still zu stehen. Auch ein rechts neben uns auftauchendes U-Boot mit Begleitschutz konnte die Stimmung nur kurz auflockern. Jeglicher Funkversuch mit der russischen Coast Guard ging ins Leere und blieb unbeantwortet, auf dem gut befahrenen Fahrweg aus Richtung Kronstadt wechselten sich die Schiffstypen ab (Container- , Militär-, Fähr-, Kreuzfahrschiff) und irgendwie zwischendurch mussten wir ins Hafenbecken schlüpfen. Dem Beispiel der „Element“ folgend querten wir kurz nach einem hellbeleuchteten Kreuzfahrriesen die Fahrrinne und segelten unbeeinträchtigt zwischen den Molenköpfen hindurch. Geschafft! 

Am Zollsteg wartete-23.30 Uhr!- ein total jung wirkender blau Uniformierter  und absolvierte mit uns zu nächtlicher Stunde tatsächlich noch die Einreiseformalitäten, während Armgard mit Paule alle erlaubten Stege und Wege ablief. Bis 10 Uhr am nächsten Morgen dürften wir bleiben- zumindest verstanden wir seine russischen Aussagen so- und wir freuten uns nach einer weiteren Stunde auf die verdiente Nachtruhe. Nach einem guten Frühstück sollte es gegen 9.45 Uhr in Richtung St. Petersburg gehen, Armgard und ich schickten Paule wohl zum 20. Mal den 50m langen Steg hin und her, als plötzlich erneut ein Uniformträger (grün) auftauchte und die Männer aufforderte, sie zu begleiten. Bald war auch klar warum: der Zoll begann erst 10 Uhr seine Arbeit und die fällige Formular- und Kontrollrallye begann. Das hatten wir aber am Abend zuvor ganz anders verstanden und uns schon über die kurze und unkomplizierte Prozedur gefreut! Nur gut, dass wir noch nicht abgelegt hatten, das wäre bös ins Auge gegangen. Bei einer unbefugten Einreise nach Russland wären die Beamten sicher nicht mehr annähernd so freundlich und kooperativ gewesen. In der Wartezeit kamen wir noch mit russischen Seglern, die wie wir ihre Ausreiseformalitäten hinter sich brachten (Regatta in Tallin war ihr Ziel), ins Gespräch und bekamen die letzte Bestätigung, welcher Hafen für Ausländer in St. Petersburg anzulaufen ist. Kurz nach 11 hieß es dann „Leinen los!“ und zwei Stunden später tauchte die Küste der Stadt vor uns auf…

Inselleben - Prangli und Brokholmen (4.7.-6.7.)




 
Bucht von Tallin: KETO vor Fähre


Rasante Überfahrt nach Prangli

Landung bei Gewitterstimmung

Gewöhnungsbedürftige Zaungestaltung mit Seeminen


Kontaktaufnahme mit Einheimischen

Fußgängerampel ( mit Ampelmännchen) im Nirgendwo



Trockentoilette
Alle Utensilien für ein zünftiges Feuer mit Grillen vorhanden
Wetterwechsel
Paule genießt Brokholmen besonders
So gut ging es uns lange nicht- mit Freunden unterwegs

Freitag, 19. Juli 2019

Mit Siebenmeilenstiefeln gen Osten (29.6.-4.7.)


Blick über Tallin
So lange blieben wir dann doch nicht in Haapsalu, eigentlich sogar einen Tag zu lange. Denn mit dem nächsten Wetterbericht kamen völlig andere Windaussichten herein geflattert, welche fast alle Segler um uns herum zur Abreise bewegten, nur wir hatten Wäsche in der Hafenwaschmaschine. Aber ich sollte der Reihe nach erzählen. Eine perfekt Deutsch sprechende ältere Estin, welche wir auf einem Spaziergang entlang der Kurpromenade trafen (am Tschaikowski- Denkmal) und die uns viel über Region und Leute berichten konnte, wies uns auf das aktuell stattfindende Tschaikowskifestival hin. Armgard und Swen-Olaf (die Besatzung der „Element“) hatten genau dies auch gelesen und besorgten reaktionsschnell für alle Karten für ein Männerchorkonzert in der Domkirche der Ruine der Bischofsburg aus dem 13.Jh. Wir verabredeten uns in der Innenstadt und entschieden uns für ein Abendbrot im Café Dietrich, bei welchem schon an der Tür in Form von Aufklebern viele Auszeichnungen und Platzierungen ablesbar waren. Tatsächlich kam jeder voll auf seine Kosten, egal ob Fisch oder Risotto, Vorspeisenplatte oder Heidelbeer- Schoko- Torte, es war einfach nur lecker und dabei auch bezahlbar. Auf flinken Füßen musste es dann in Richtung Dom gehen. Nach einem kurzen Schreck wegen der nicht auffindbaren Eintrittskarten genossen wir, nach der Entwarnung, ein sehr beeindruckendes Klangerlebnis. Bässe, die durch Mark und Bein gingen, ungewöhnliche Instrumente und Liedsätze in der ausverkauften „Konzerthalle“ , die unglaubliche Akustik ( ein Ton hält 11 Sekunden) soll berühmten Häusern in nichts nachstehen- obwohl sonst keine Klassik- Fans, hatten wir uns definitiv richtig entschieden. Am nächsten Morgen leerte sich der Hafen in Haapsalu zusehends.





Als nach dem gemeinsamen Frühstück auch die Besatzung der „Element“ aufbrach, weil der Wind plötzlich ideal für eine Weiterfahrt war, blieben wir etwas betröppelt zurück. Wir nutzten den Tag für einen weiteren Bummel. Diesmal schauten wir uns den Bahnhof mit dem, im 20. Jh, längsten überdachten Bahnsteig (216m) Nordeuropas an, der für den russischen Zarenzug gebaut wurde und landeten am Ende wieder im Café Dietrich. Ein schöner Tag, den aber zumindest Carsten spätestens am nächsten Morgen (windstill) oder während der 9-stündigen Fahrt unter Motor, gern eingetauscht hätte. Spannend wurde es erst, als ein Schlauchboot der estnischen Polizei bzw. des Zolls neben uns auftauchte und uns aufforderte, den Motor zu stoppen. Schnell enterten zwei Uniformierte unser Boot und erklärten, dass dies eine Routinekontrolle wäre. Nach Sichtung von Pässen ,Bootspapieren und Führerschein verzichteten sie auf eine, auf finnischen Booten durchaus üblichen, Alkohol- und Zollkontrolle, lächelten freundlich in die Kamera und verschwanden genauso schnell wie sie gekommen waren.

Im Zielhafen Lohusalu erfreute Paule v.a. die natürliche Umgebung (Wald, Strand) und uns dazu die kostenfreie Sauna. Trotzdem ging es, wegen des guten Windes, am nächsten Tag weiter. Die estnische Hauptstadt Tallin stand auf der Tagesordnung, diesmal allerdings nicht der Stadthafen, sondern der Olympiahafen weiter östlich. Dafür war die Fahrstraße der Schnellfähren (Tallin. Helsinki) zu queren, eine Aktion, die wirklich gut getimt werden musste, kam gefühlt im 10 Minutentakt von rechts oder links immer eine herangebraust. Hart am Wind gelang das Manöver mit viel Herzklopfen meinerseits gut, als vor uns ungefähr 150 kleine Segel auftauchten, die den Blick auf die Hafeneinfahrt versperrten. Wie wir später erfuhren, fand hier seit 3 Tagen eine internationale Kinderregatta (Optimist, Laser) statt. Es war wirklich sehr beeindruckend, die Minisegler in ihrem Tun zu beobachten. Mit welcher Selbstverständlichkeit, Coolness und sichtbarer Freude sie hohe Wellen, nicht gerade wenig Wind, Hafeneinfahrt und Landung bewältigten, ihre Boote selbst abtakelten und beim Verladen halfen! Circa 200m vom Hafengelände entfernt fuhren Busse in Richtung Altstadt und einen solchen nutzten wir am nächsten Tag. Eigentlich ist ein Maulkorb für Hunde Bedingung um mitfahren zu dürfen, aber bei unserem Kuschelhund hatten wir noch nie über die Anschaffung eines solchen auch nur nachgedacht. Er durfte zum Glück auch so mitfahren und auch der nett gemeinte, aber einige unruhige Minuten auslösende, Hinweis einer Frau, dass auch in der Altstadt von Tallin Maulkorbpflicht für Hunde besteht und die Polizei Bußgelder bei Verstößen einzieht traf zum Glück auf uns nicht zu. Allerdings wechselten wir schon mal die Straßenseite um aus dem Blickfeld eines Polizisten zu kommen. Ohne festes Ziel schlenderten wir dann durch die historische Altstadt, bestaunten Stadtmauern und Türme, mittelalterliche Straßenzüge und Kirchen, genossen den Ausblick von oben über die Stadt und erschraken über das allgemein hohe Preisniveau der Gaststätten und Kneipen, aßen trotzdem indisch und fuhren am Ende des Tages pflastermüde aufs Boot zurück. So schön Tallin auch ist- und es ist wirklich eine tolle Stadt- uns zog es mit Macht in die Natur. So nutzten wir den folgenden Tag nur noch zum Einkaufen und für die Besichtigung einer Klosterruine und schon ging es 20sm unter Segeln bei frischem Wind weiter zur Insel Prangli.