St. Petersburg- Russland. Seit zwei Jahren träumte Carsten
davon, hier mit der KETO in den Hafen einzulaufen. Und nicht mal ich glaubte
ernsthaft an einen Erfolg dieser Mission. Viel zu weit weg, viel zu lange
Schläge (Paule!), zu viele unbekannte Bedingungen, zu umständlich, zu
kompliziert. Warum sich dem aussetzen, wenn man doch per Flugzeug (ab Dresden)
oder Fähre schneller und bequemer zum Ziel kommt? Noch zu Beginn des 2.
Abschnittes der Ostseerunde war die Option bis Helsinki zu segeln und von dort
mit der Fähre in die Stadt und zurück zu fahren für mich die weitaus
realistischere Variante. Nun läuft aber dieses Jahr alles ein wenig anders: der
Wind meint es von Beginn an gut mit uns, da es im Baltikum nicht so viele Häfen
gibt, wie in Schweden sind die Törns fast immer länger und wir kommen damit
einfach schneller voran. Auch die Begegnung und Gespräche mit Armgard und Swen-
Olaf, die mit dem gleichen Ziel unterwegs sind, und die dadurch neu gewonnenen
Informationen gaben mir zunehmend Sicherheit und holten die Reise der KETO nach
St. Petersburg aus dem Reich der Träume.
Und nun liefen wir in den zentralen Yachthafen am Ufer einer
der Newa-Inseln ein. Hochhauswände säumten steuerbords die Ufer bis hierher,
links bestimmten Gazprom- Turm und – Stadion die Silhouette der Stadt. Die
Fahrrinne der Meteorboote
(Schnellfähren, 60 km/h!) meidend, die Autobahnbrücke angstfrei
unterfahrend (25m!), kamen wir uns bald vor, wie zu Besuch in einer anderen
Welt. Dies bestätigte sich dann auch tatsächlich beim Versuch, uns beim
Hafenmeister anzumelden. Die Wächter am Ende der Stege, die wir nach dem Weg
fragten, verwiesen Swen und mich immer weiter entlang des Hafenbeckens, bis
sich ein 3-stöckiges Gebäude auftat, welches schon bessere Zeiten gesehen hatte
(80er Jahre?!). Mehrmaliges Nachfragen, ein Pförtner und ein Formular später
landeten wir im 2. Stock auf der Couch vor
dem richtigen Büro und wurden 5 Minuten vertröstet. Endlich erschien ein
kompetent auftretender Mann, zückte resolut sein Handy mit Übersetzungs-App -
und verstand doch nichts von dem, was wir versuchten ihm zu erklären. Zwei
ausländische Boote ohne Anmeldung, die auf keiner Liste zu finden waren, sogar
schon in seinem Hafen festgemacht hatten und 6 Nächte bleiben wollen- das
überstieg scheinbar sein Vorstellungs- und Organisationsvermögen. Erst Swen-
Olafs gute Idee, mit Stift, Papier und einigen russischen Worten unser Anliegen
zu verdeutlichen trug Früchte. Viele A4- Blätter später hatte er die Pächter
der Boxen, in denen wir lagen, herausgefunden und versuchte sie telefonisch zu
erreichen, um zu erfragen, ob wir dort bleiben könnten. Ergebnis: Die „Element“
durfte, wir mussten ein paar Meter weiter auf die andere Seite des Steges
wechseln. Umgerechnet 22,50 € kostete eine Nacht, dies schien uns in diesem
Moment nicht zu viel. Vertragsformulare ausfüllen, ins Nachbarbüro gehen
(Buchhaltung) und bezahlen, zum Pförtner gehen, Formular ausfüllen, Schlüssel
für Sanitäranlagen dafür empfangen- fertig. Noch nicht ganz! Ein Begleiter
wurde telefonisch herangerufen, der unser Boxenwechselmanöver unterstützen und
kontrollieren sollte, da der eigentliche Inhaber schon „unterwegs“ sei… Box 4
am Steg 9 blieb übrigens bis zu unserer Abreise 7 Tage später leer…! Carsten
und Armgard vermuteten zwischenzeitlich schon, dass wir Kaffee trinken gegangen
sind, solange dauerte dieser eigentlich so einfache und sonst in 5 Minuten
ablaufende Akt! In den nächsten Tagen stellte sich heraus, dass nicht nur
Organisation und Gebäude, sondern die gesamte Anlage des Hafens einer Weltstadt
wie St. Petersburg unwürdig war. Mit hohem personellen Aufwand bewacht, dabei
aber ungepflegt und dringend sanierungsbedürftig. Dabei tummelten sich im Hafen
die „Reichen und Schönen“, lagen millionenschwere Boote vor Ort und wurden
deren Besitzer z.T. mit dem Hubschrauber eingeflogen- ein Wiederspruch, den wir
uns nicht erklären konnten. Ein russischer Stegnachbar erklärte uns auf eine
diesbezügliche Frage, das sei „russische Realität“. Das sollten wir noch häufiger
zu hören bekommen…
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An der Spitze der Insel liegt unser Hafen... |
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Hafenmeistergebäude |
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Wir haben es geschafft! |
Auf die Frage nach dem nächsten Haltepunkt eines
öffentlichen Verkehrsmittels wurden wir auf ein Taxi verwiesen, die
Telefonnummer gab’s gleich inklusive. Da sich aber unweit des Hafengeländes
eine Bushaltestelle befand und aus unserer Erfahrung Bus fahren sehr preiswert
ist (Kaliningrad, 0,50€ pro Fahrt), erkundeten wir in Folge das Zentrum mit
diesem Verkehrsmittel. Außerdem durfte Paule sowieso nicht mit in die Metro
(nur in einer verschlossenen Box lautet die Regel! Wer auch immer die dann
trägt…?), sodass uns mit ihm nichts anderes übrig blieb. Wo aber anfangen in
der „Kulturhauptstadt Russlands“? Mit ihren über 2300 Prunkbauten, Palästen und
Schlössern seit 1991 Weltkulturerbe (UNESCO), den vielen sehenswerten Plätzen
auch außerhalb der Stadtgrenze und mit ihrer bedeutenden Historie (Zar Peter
der 1.und folgende, Oktoberrevolution, Leningrad…), wurde uns die Entscheidung
nicht gerade leicht gemacht. Und so liefen wir den ersten Tag vor Ort bei
trübem Wetter einfach durch die Straßen und versuchten einen ersten Eindruck zu
erhaschen…
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Ausblick vom Steg: Gazpromstadion und - turm |
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