Donnerstag, 4. Oktober 2018

Oktober ist wie April... (2)


…aber plötzlich stand, gegen 14.00 Uhr und kurz vor dem Ziel,  eine verrückte Idee im Raum: Warum wollen wir nicht gleich bis Ystad durchfahren?! Für die nächsten Tage waren erneut Herbststürme angesagt, eine Weiterfahrt zum letzten schwedischen Hafen vor der Überfahrt erst ab evtl. Donnerstag möglich. Dagegen standen allerdings die noch einmal 27 Seemeilen (5 Stunden) und, damit verbunden, das eventuelle Nichterreichen des Zielhafens vor Einbruch der Dunkelheit. Aber auch der Wind sollte zum Nachmittag auffrischen und (natürlich!) nicht gerade aus idealer Richtung für uns kommen…Wir brauchten trotzdem nicht lange für unsere Entscheidung.  Der Vorteil, vielleicht doch einen stressfreien Tag für die lange Überfahrt zu erwischen, überwog und so ging die Fahrt weiter. Erstaunlicherweise hielt sich der Wind diesmal genau an das, was versprochen war: er wurde stärker. So konnten wir nach Süden, bis zum Kap Sandhammaren, mit dem Vorsegel und mit über 6 Knoten Geschwindigkeit segeln. Dann allerdings ging es in Richtung Westen weiter und nun wurde es schauklig  und nervig, da die Wellen höher wurden und kein Segeln (Windrichtung!) mehr möglich war. Der Motor musste Schwerstarbeit gegen die Welle verrichten, fuhren wir doch mit dem Druck, rechtzeitig vor Ystad sein zu müssen. Der Plotter zeigte als vermeintliche Ankunftszeit noch immer  19 Uhr an (kurz nach Sonnenuntergang), es wurde zum Nachmittag deutlich kälter und ich zog mich mit Paule unter Deck zurück. Carsten hielt draußen  die Stellung – wir hatten scheinbar alles richtig gemacht…Fünf Seemeilen vor Ystad, die Lichter der Stadt waren schon zu sehen, stürzte Carsten plötzlich zum Motor: „Was ist denn jetzt los?!“, rief er immer wieder hektisch- der Motor verweigerte plötzlich die volle Leistung  und ließ sich auch zu nichts anderem bewegen. Ohne Motor, bei diesen Wetterbedingungen, wären wir aufgeschmissen, wäre eine Einfahrt in den Hafen riskant oder gar nicht möglich! Die Situation wurde immer angespannter. Fast gleichzeitig setzte Carsten das Vorsegel,  um manövrierfähig zu bleiben, probierte den Motor wenigstens am Laufen zu halten und gab mir Aufgaben für den Ernstfall: regionale Seenotdienstrufnummer heraussuchen, AIS und Funkgerät anschalten, Strahler/ Kopflampen für die Dunkelheit bereitlegen,…, Ruhe bewahren. Ein dramatischer Sonnenuntergang gab dieser wirklich heiklen Situation mit ungewissem Ausgang einen würdigen Rahmen, aber zum Fotografieren hatte ich erstmals ernsthaft keine Lust. Carstens Gesicht beobachtend um die Ernsthaftigkeit der Lage einschätzen zu können, hockte ich wie ein Häufchen Unglück in der Pflicht, das Notfalltelefon in der Tasche griffbereit. Die einzig mögliche Variante war, die verbleibende Strecke zu segeln. Das hieß, da der Wind von vorn kam, zu kreuzen (im Zick- Zack- Kurs vorwärts bewegen). Es schien tatsächlich zu funktionieren,  als eine neue Gefahr auftauchte. Die Einfahrt des Yachthafens lag hinter der des Handels- und Fährhafens Ystads und natürlich, im AIS deutlich zu erkennen, wollten genau in diesem Moment eine polnische Fähre mit 13 Knoten Geschwindigkeit einfahren und eine schwedische ausfahren. Inzwischen war es 20 Uhr und dunkel. Nur über den Plotter erhielten wir die notwendigen Informationen für die Einfahrt. Carsten stoppte die KETO ab, ließ die beiden Großschiffe passieren und mit einem letzten Kreuzschlag ging es ins Finale: der Hafeneinfahrt. Der Motor lief die ganze Zeit mit, auch wenn er keine Leistung brachte. Für die eigentliche Einfahrt musste er aber wenigstens ein bisschen Vortrieb erbringen, da nützte das Segel nichts mehr. Gemeinsam in die Dunkelheit starrend und hoffend, dass genau dies gelingt, schlichen wir „um die Ecke“, an Untiefen und Wellenbrechern vorbei, in das rettende Hafenbecken. Mit dem Licht der Kopflampen gelang das Anlegen längsseits an der beleuchteten Brücke ohne Probleme und 20.45 Uhr fielen wir uns erleichtert in die Arme- geschafft! Lange kamen wir danach innerlich nicht zur Ruhe, trotz Hunderunde, Essen und Schnaps diskutierten wir immer wieder die erlebte Situation. Erst spät fielen wir in einen komaähnlichen Schlaf. Am Dienstag und in der Nacht zu Mittwoch drehte der Wind, wie angesagt, so richtig auf. Über 40 Knoten im Hafen, dazu peitschender Regen und „Flugsand“ vom nahen Strand boten einen Härtetest für Boot und Mannschaft. In erster Linie musste trotzdem natürlich dringend das Motorproblem geklärt werden, wollten wir ja in kurzer Zeit weiter über die Ostsee. Verschiedene Aussagen ließen den Luft- oder den Kraftstofffilter als möglicherweise „schuldige“ Bauteile  erscheinen und so reinigte bzw. wechselte Carsten diese aus. Beim Probelauf schnurrte der Motor wie gewohnt und so bleibt uns die Hoffnung auf eine weniger aufregende Rückfahrt nach Deutschland in absehbarer Zeit erhalten…

Ystad- Ansicht vom Boot

Hafenplan

Gerade noch Flaute...

...uns schon brennt wieder die Luft!

Na gut, ein Sonnenuntergangsfoto hab ich doch geschossen...

Oktober ist wie April… (1)


Fahrt in den Sonnenaufgang

…nur in kalt! Auch wenn uns natürlich klar ist, dass kein Sommer ewig hält- dieser Herbst zeigt sich echt von seiner launigen Seite. So schön, wie beginnende Blattfärbung, Kastanien und Eicheln, bunte Astern und Dahlien in den Vorgärten anzuschauen sind, so unangenehm sind die Wind- und Wetterkapriolen für unsere Rückreise. Vor allem scheint man sich auf keine Wettervorhersage wirklich verlassen zu können. Mittlerweile schauen wir in drei Wetterapps hinein und trotzdem kommt es anders- meist schlimmer. Die Fahrt nach Hasslö führte durch die Schärenwelt südlich Karlskronas, also einem geschützten und zum Glück nicht sehr engem Fahrwasser. Die angesagte Stärke und Richtung des Windes ließ uns auf einen schönen Tag unter Segeln hoffen. Doch schon nach 5 sm ahnten wir, dass sich diese Hoffnung bald in Luft auflösen würde. Der Wind wurde stärker, drehte vom anliegen auf gegenan und auch der Sonnenschein konnte nicht darüber hinwegtäuschen: die nächsten 20 sm  wurden wieder einmal zur Rodeofahrt über Meterwellen und mit 24 Knoten Gegenwind, unterbrochen nur von kurzen Abschnitten unter Vorsegel. Der Hafen Hasslö stellte sich als wenig attraktiver ehemaliger Militärhafen heraus, bei dem schon auf Wintermodus umgeschaltet wurde, d.h. die Sanitäranlagen waren zu. Auf der abendlichen Hunderunde entdeckten wir immerhin einen schönen Sandstrand an der Westküste der Insel. Uns hielt nichts und so sollte es am nächsten Tag gleich nach Hanö , einer Insel in der Mitte der nach ihr genannten Bucht weitergehen. Wenig Wind aber aus der richtigen Richtung war angesagt- besser als das ewige gegenanfahren war das allemal.  Um 5.30 Uhr zeigte das Thermometer sagenumwobene 1,4°C an und trotz einer halben Stunde „Verlängerung“ im Bett stieg es auch nicht weiter. So tuckerten wir 7 Uhr unter der aufgehenden Sonne aus dem Hafen, dick eingemummelt und erwartungsvoll. Und dann kam- nichts!  Gar kein Wind, glatte See; schon 11.45 Uhr fuhren wir unter Motor in den uns gut bekannten Hafen ein. Vor 3 Jahren verbrachten wir hier mit Fabi schon schöne Segelurlaubstage. Auch diesmal begeisterte die malerische Hafenansicht, obwohl das Saisonende auch hier schon eingeläutet war. Nach einem schnellen Mittagessen schnappten wir die Wanderschuhe und auf ging es in den „Märchenwald“. Über unendlich viele moosbedeckte Steine zog sich der Rundweg um die Insel  (ca. 6km),  hier durch einen niedrigen Wald, der, sich immer mal für einen Blick auf das Meer öffnend, von wenig scheuem und immer mal sichtbarem Damwild bewohnt ist. Über eine Hochebene ging es später weiter zum Leuchtturm der Insel und durch den kleinen Ort (40 dauerhaft hier lebende Menschen) zurück zum Hafen. Wegen erneutem Starkwind genossen wir Hanö noch einen weiteren Tag, diesmal mit einer Runde in das links vom Hafen gelegene Gebiet. Der „Bohnenacker“, eine Landzunge aus rundgewaschenen Steinen, und der englische Friedhof waren dabei die Hauptzielorte. Zeigten die Wetterberichte für den Montag bisher frischen,  segelbaren Wind für uns an, wurden wir jedoch früh erneut enttäuscht. Spiegelglatte Ostsee bot sich unseren Augen dar und so ließen wir es geruhsam angehen. Erst 8.20 Uhr bewegten wir uns unter Motor aus dem Hafen in Richtung Simrishamn, ganz am Ende der Hanöbucht. Dreißig lange Seemeilen lagen vor uns und außer Essen, Lesen oder Fotografieren blieb eigentlich nichts zu tun…

Hanö- Hafenansicht vom Boot


Laufwege auf Hanö

Unser "Märchenwald"
"Bohnenacker"