Freitag, 31. August 2018

Südwind- ein Kreis schließt sich


Langsam haben wir das Gefühl, irgendjemand hat etwas gegen uns. Nervte bei der Fahrt in Richtung Nordkap der entgegenkommende Nordwind, stellte sich pünktlich zur Richtungsänderung gen Süden der Südwind ein. Das hat in den zum Teil engen Fahrwassern permanentes Fahren unter Motor  zur Folge, welches mittlerweile schon den 2. Ölwechsel der Tour nötig machte. Der Einzige, der das echt zu genießen scheint,  ist Paule. Unmittelbar nach dem Ablegen stellt er sich an der Leiter hoch und macht sein Begehren, zu uns in die Pflicht zu kommen, deutlich. Mit Schwimmweste versehen ist das bei ruhigem Wetter auch kein Problem und so verbringen wir viele Fahrtabschnitte zu dritt an der frischen Seeluft. Wieder liegen sehr unterschiedliche Häfen und Erlebnisse hinter uns. Im schon erwähnten Axmar bruk lagen Freud und Leid eng beieinander. So versenkte Carsten aus Versehen den Bootsschlüssel. Trotz des angeblich schwimmfähigen Schlüsselanhängers versank das Bündel ca. 3m in der See- keine Chance auf Rettung. Dafür sahen wir am Abfahrtsmorgen unsere ersten Seeadler. Gleich zwei dieser imposanten Vögel ließen sich auf der Spitze eines Baumes der gegenüberliegenden Insel nieder- leider etwas außer Reichweite unserer Fotoausrüstung. Der Hafen des Gävler Segelklubs enttäuschte in Ausstattung und Service in allen Belangen, Ängskär dagegen… ja in Ängskär war es so toll, dass es, wie Carsten es ausdrückte, zur ersten Meuterei der Besatzung kam. Hier passte einfach alles. Ein trotz Südwind ruhiger Liegeplatz längsseits, eine einfache aber nette Gaststätte mit Kinderferienlagerflair aber superleckerem Lachssteak als Tagesangebot und einer Fotoausstellung eines Naturfotografen mit unglaublichen Bildern. Stein- und Birkenpilze warteten nur darauf eingesammelt zu werden (ohne Suchen!) und ergaben eine leckere Mahlzeit. Und wieder überflogen uns die Adler…ein Platz zum Verweilen, fand ich, und zum Glück ließ sich Carsten trotz Segelwind erweichen und wir blieben zwei Tage. Unter atemberaubenden und Regen verheißenden Wolkenformationen motorten wir dann  nach Öregrund, einem größeren Hafen mit 36 Gastliegeplätzen, da frische Lebensmittel nötig waren. Ein nettes Städtchen und ein noch netterer Hafenmeister, den man erst mal telefonisch über seine Ankunft informieren musste, überraschten uns hier. Als einzige Gastlieger des Hafens nahm sich Anders viel Zeit für uns, erklärte uns ausführlich seine Pläne zur Hafenerweiterung („…  aber wenn ich im Lotto gewinne, dann könnte man…“)und gab uns auch noch ordentlich Rabatt auf die Gebühr sowie die Möglichkeit, kostenfrei Waschmaschine und Trockner zu nutzen. Und diese herrlichen, kontrastreichen Farben der Stadt, wenn man aus dem Boot blickte- ich habe diese Ansicht bestimmt 15x aus verschiedenen Perspektiven  fotografiert! Da wir uns mit Freunden aus der heimischen Marina in den Stockholmer Schären treffen wollten, hieß es jetzt aber ein wenig Fahrt aufnehmen. Ein langer Schlag über 53sm sollt uns südlich nach Norrtälje führen. Dazu wählten wir auf Grund des fehlenden Windes einen Sund bzw. Kanal, da uns die offene See nur hohe Wellen gegen an eingebracht hätten. Nach einem Sonnenaufgang wie er im Buche steht ging es schon früh um 6 Uhr  los, einzig beobachtet von einem Adler, der es sich auf einer roten, das Fahrwasser begrenzenden,  Spire bequem gemacht hatte. Felsen, Inseln und bebaute Küstenabschnitte wechselten sich ab, bis die erste Brücke in Sichtweite auftauchte. Diese konnten wir laut Kartenangabe unterfahren, auch wenn wir zwischenzeitlich echt daran zweifelten. Die Öffnung der nächsten zwei Brücken musste 12 Stunden vorher telefonisch angemeldet werden. Als ob man da schon genau sagen könnte, um welche Uhrzeit man die besagte Stelle passieren wird! Um eine Stunde verschätzten wir uns und so war eine Umbestellung auf Fahrt nötig, die aber völlig problemfrei funktionierte. Streckenabschnitte, in den man sich in einem engen Kanal wie im Spreewald fühlte, wechselten mit welchen, bei denen das Staunen über die privaten Prachtbauten und Anlagen vermögender Schweden überwog. Und dann, nach 12 langen Stunden war endlich Norrtälje in Sicht, der Ort, wo vor 54 Tagen meine Reise begann, aber, zum Glück,  ja noch lange nicht beendet ist…
Väddökanal

2. Brückenöffnung


Öregrund

Ängskär

Donnerstag, 23. August 2018

Wieder Sommer. Jetzt. Bitte!


Keto an der Hafenmauer von Storjungfrun
Der Sommer in Schweden endete abrupter und viel zeitiger als erwartet. Am 19.August, auf der Fahrt von Härnösand nach Skatan, zeigte das Thermometer zwar 16°C Lufttemperatur an, durch den heftigen Wind auf See fühlte es sich aber an wie Winter…Handschuhe, Schaltuch und Mütze, zwei Fleecejacken übereinander, heißer Tee von innen- nichts half gegen das Gefühl gleich zu erfrieren. Dabei lachte durchaus die Sonne vom Himmel und strafte unser Gefühl Lügen. Vielleicht lag es auch mit an der rauen See, denn bei Windstärke 6 von der Seite und hohen Wellen aus zwei verschiedenen  Richtungen (Windrichtung hatte nachts gewechselt), wussten wir bei  Zeiten nicht mehr was oben oder unten ist, so schüttelte es die KETO durch. Wie angenehm war da der Empfang im windgeschützten und malerischen Fischerdörfchen Skatan. Ein alter Hafenmeister (hatte nach 50 Arbeitsjahren gerade seine Fischräucherei verkauft) begrüßte uns persönlich auf dem Steg, nahm die Leinen entgegen und stellte eine Hitsche zum bequemeren Ausstieg auf, erläuterte noch kurz die Örtlichkeit und verschwand bis zum Bezahlen, welches „immer erst 20.00 Uhr“ stattfände. Noch im Restaurant, wo wir uns nach dieser lausigen Fahrt ein schwedisches Fischbuffet gönnten, schwankte der Boden gefühlt unter uns und wir mussten uns gegenseitig versichern, dass die Erde nicht wackelt. Nur gut, dass es eine Sauna gab! Diese sind mittlerweile fast einen eigenen Text wert. Fast in jedem Hafen sind sie in vielfältiger Form vorhanden, inklusive und werden von uns, auf Grund der kühleren Temperaturen, auch rege genutzt. Als „Hafenkino“ (Blick von der Saunabank durch das Panoramafenster aufs Meer) wie in Lustholmen, als Extraraum hinter der Hafenküche (Skatan) oder ganz ursprünglich wie auf der Insel Storjungfrun, wo Wasser für Aufguss und zum Abduschen aus der Schwengelpumpe mit Eimern über 150m herangeschleppt werden musste und natürlich auch das Feuerholz selbst gehackt wurde und Teelichter am Abend die einzige Lichtquelle waren.
Sauna Lustholmen
Ausblick aus der Sauna
Nördliche Brücke Härnösand
 In Härnösand, wo wir zwei Tage lagen, gab es allerdings keine, da hätten wir, wegen des regnerischen Wetters und der tristen Innenstadtlage mit Ausblick zum hiesigen Alkitreff, dringend eine gebraucht! Es passt eben nie alles zusammen… Denn eigentlich wurden wir vor Ort behandelt wie früher nur die Könige. Zwei Brücken hindern Boote mit Mast an der Durchfahrt des Kanals, an dem die Stadt liegt. Wurden sie in vergangenen Zeiten nur für die Schiffe des Königs geöffnet, gehen sie heute nach einem Anruf (englisch!) zur ausgemachten Zeit per Handsteuerung nach oben und geben so  den Weg frei. Wenn die verabredete Zeit nicht vergessen wird, wie bei uns geschehen. Aber nach einem erneuten Anruf und  30minütiger Verspätung incl. einer wegelagernden Robbe in der Fahrrinne vor der zweiten Brücke war auch unsere Durchfahrt geglückt. Robben sind übrigens zurzeit für uns keinen seltenen 
Begleiter auf See. Ihre fußballgroßen dunklen Köpfe schauen mit ausreichend Abstand zum Boot immer mal wieder aus dem Wasser, doch bevor wir einen Fotoapparat auf sie fokussieren können, tauchen sie mit einem lauten Platschen weg. Als ob sie mit uns Verstecken spielen wöllten….
Anfahrt auf Skatan
Gestern landeten wir in Axmar bruk. Zu viel Wind und hohe Wellen zwangen uns zum Abbruch der geplanten Route nach Gävle. Und, oh Schreck, keine Sauna vorhanden um die Kälte aus dem Körper zu bekommen. Bei unserem Spaziergang im Ort entdeckten wir einen englischen Garten, den sich die Besitzer einer Eisenhütte um 1870 gestalten ließen. Das trist aussehende Cafe am Eingang überraschte mit guter, wenn auch nicht preiswerter, Auswahl an der Kuchentheke. Wir stellten fest: Mit einem Pott Kaffee zum Stück „Rüblikuchen mit Buttercremedecke“  kann man einen ähnlichen Wohlfühleffekt  wie mit Sauna erzielen… Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot!😋

Freitag, 17. August 2018

Högaküsten: Wander- und Erlebnisurlaub statt Segeltörn…


Blick vom Lotsenhaus auf Ulvön
Der Tagesrhythmus auf Fahrt ist relativ gleichbleibend. Gegen 7 Uhr aufstehen (bei weiten Strecken auch mal 5.30 Uhr), Frühstück, Paulerunde,  Start zwischen 8.30 – 10.00 Uhr, Ankunft am Zielhafen  zwischen 14 – 18 Uhr, klar Schiff und Hafengebühr bezahlen, Gegend erkunden (mit Paulerunde und evtl. einkaufen). Am Abend dann gemeinsam kochen und essen und ein bisschen Zeit ohne feste Planung. Da müssen Kontakte in die Heimat gepflegt, Fotos gesichtet und überspielt, Logbuch- und Blogeintragungen verfasst,  die Route für den nächsten Tag vorgeplant, mit anderen Seglern geklönt werden, manchmal muss Carsten arbeiten, Rommé wird gespielt … Ich komme nicht einmal zum Bücher lesen, gerademal  zwei hab ich in der langen Zeit bewältigt – unglaublich! ;-) Der Tag ist meistens viel zu kurz für alle nötigen oder gewollten Tätigkeiten und am nächsten Tag geht es schon weiter.
Seitdem wir aber durch die Inseln und Häfen der Högaküste tingeln, ist alles ein wenig anders. Ständig erwartet uns irgendein Superlativ: die höchste Insel Schwedens (Mjälton), der höchststehende Leuchtturm (Högbonden), die längste Brücke (Högaküstenbrücke)… Dies hat zur Folge, dass wir nur kurze Strecken von 5 bis 15 sm fahren , zeitig am Ziel sind und auch mal 2 Tage vor Ort bleiben, alles Sehenswerte erlaufen und uns ein wenig wie im Wanderurlaub im Hochgebirge fühlen. Denn jede der 200- 300m hohen Inseln  ist im unteren Teil bewaldet und im oberen eher felsig mit Sträuchern und Flechten und zeigt, außer den Natursteigen, eine „Urwüchsigkeit“,  wie sie uns sonst nur aus dem Gebirge bekannt ist.  Am Ende wird man durch eine gigantische Aussicht auf den Ort oder die Ostsee mit naheliegenden Inseln belohnt und mit vielen kleinen Erlebnissen so nebenbei. So schwamm gestern Abend ein Biber, aus dem Schilfgürtel der Ostseebucht, in der wir lagen, kommend, am Boot vorbei. Auf Mjälton nutzten wir erstmalig eine Sauna am Strand, d.h. eine Holzhütte, wo der Saunaofen mit Scheiten selbst angefeuert werden kann (Holz und Axt liegen bereit) und man zur Abkühlung in die 10 Meter entfernte Ostsee springt. Segelten wir von Bönhamn, da die dortige Fähre nach Högbonden (Leuchtturm) schon den Saisonbetrieb eingestellt hatte, eben selbst dorthin an den Fähranleger, hatten ein Zeitfenster von 1,5 Stunden, um einer Fähre aus einem anderen Ort nicht im Wege zu liegen. Rannten geradezu den Weg zum Leuchtturm hoch und schafften es auch ohne Probleme rechtzeitig abzulegen. Oder wir gönnen uns, wie vorgestern, eine Ausfahrt, d.h. wir nutzten den schönen Segelwind und Sonne, um früh aus Lövvik zur Högaküstenbrücke und darunter hindurch zu segeln, sie kurz an Land zu besuchen um dann zum Ausgangspunkt (idyllischer Steg) zurückzukehren und uns abends mit zwei eingetauschten 10 Kronenmünzen (für den Automaten!) die Sauna anzuheizen.
Spannend sind auch die Begegnungen und Gespräche mit den Menschen der Region, die ihre Heimat lieben und von sich aus die schönsten Plätze beschreiben und empfehlen. Zum Beispiel verkaufte uns die Cafebesitzerin in Bönhamn einen Teil ihrer Lebensmittelvorräte (Einkaufsmöglichkeiten gibt es im Paradies kaum!) und erzählte, dass sie in der Gegend aufgewachsen ist, ihr Geschäft aber nur während der Sommersaison führt und den Rest des Jahres mit Familie in Kalifornien lebt. Im Sommer habe der Ort 60 Einwohner, im Winter dagegen nur 12 …! Und, und,  und…
In vielen Häfen sind wir die einzigen Gastlieger. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Hauptsaison in Schweden vorbei ist. Auch für uns heißt es langsam Abschied von der "hohen Küste" zu nehmen und uns auf den langen Heimweg zu begeben, auch wenn dieser Sommer vom Gefühl her nie enden bräuchte …

Höchster Punkt der Insel Mjälton

Högaküstenbrücke

Leuchtturm und JH Högbonden

Biberzeit
Blick auf die Ostsee vor Bönhamn


Dienstag, 14. August 2018

Willkommen im Paradies


Eine schwedische Insel als Paradies zu bezeichnen wäre mir sicher vor ein paar Tagen noch nicht eingefallen. Auch wenn im Hafenhandbuch zu lesen war, dass Trysunda „ ein populäres Ziel in der Hochsaison darstellt" und der Hafen dann häufig übervoll  ist, rechneten wir nicht mit einer solch atemberaubenden und variantenreichen Kulisse. Von Örnskoldsvik ging es unter Segeln nur 15sm südlich. Die Küsten wurden deutlich höher, waren bewaldet und Felsen  leuchteten, je nach Sonneneinstrahlung, in vielen Farben. Bald zog eine dicke Wolkendecke auf und verwandelte die Landschaft völlig. „Wie in Patagonien“, bemerkte eine deutsche Wanderin, die wir später in der Hafenküche trafen. Mit 250 SEK nicht gerade preiswert dachte ich noch nach Ankunft, aber dafür wurde uns bei zweiter Betrachtung auch einiges geboten. Die eben benannte doppelte Küchenzeile, Toiletten, moderne Duschen, Sitzecken in verschiedenen Varianten im Gelände verteilt, Waschmaschine/Trockner, Laden und Cafe in einem… alles harmonisch in schwedischen Holzhäusern untergebracht und am Waldrand und Strand verteilt- toll. Das wirkliche Erlebnis auf Trysunda war aber wieder einmal die Natur. Beim ersten Spaziergang landeten wir  an einem „Klappersteinstrand“ (das Meer wirft mit den Wellen Steine ans Ufer und nimmt sie beim Zurückziehen wieder mit, sie schleifen sich dabei  ab und werden zu natürlichen „Ostereiern“ oder Kugeln). Stundenlang hätte ich dort zubringen können, Steine gucken, sammeln, stapeln, fotografieren…selbst Carsten konnte ich für kurze Zeit mit meiner Begeisterung anstecken.
Der zweite Tag verwöhnte uns gleich früh mit Sonnenschein und Wärme (und nur der halben Hafengebühr ;-))). Auf ging es auf einem Rundwanderweg durch den Wald zu einem geradezu karibisch anmutenden Sandstrand. Die Palmen hatten hier halt Nadeln, aber die Sonneneinstrahlung ließ das Meer und die vorliegenden Felsen und Inseln leuchten und die verschiedenfarbigen Steine am Rand boten dazu einen grandiosen Kontrast.
 
 
Eigentlich sind wir nicht gerade Strandurlauber, aber dieser Tag hätte für uns nie enden sollen. Obwohl eine Fähre Trysunda mehrmals am Tag mit Menschen und den nötigen Lebensmitteln für den Miniladen versorgt und auch der Sportboothafen nicht eben klein ist, bemerkt man auf der Insel (anders als auf Hiddensee) davon nichts. Man grüßt sich bei Kontakt und wird zurückgegrüßt. Überhaupt geht hier die Saison gerademal 3 Monate, dann fällt die regelmäßige Fährverbindung weg. Die Häuser auf Trysunda sind nach Aussagen von anderen Seglern also vorwiegend Sommerhäuser oder zu mietende Ferienhäuschen.
Als wir am letzten Morgen an Deck krabbelten, begrüßte uns dicker Nebel. Da fährt niemand freiwillig los. Selbst die Gruppe Kajaklehrer „in Ausbildung“, die im Wald für 4 Tage ihre Zelte aufgeschlagen hatten, mussten, so schien es uns, eine Theorieeinheit extra absolvieren. Gegen 10 Uhr hatte die Sonne den Nebel besiegt und es ging wieder weiter. Unser nächstes Ziel hieß Ulvön, war erneut eine Insel und verhieß, laut Foto im Handbuch, ähnlich tolle Landschaften…