Freitag, 28. Juni 2019

Unterwegs in Estland (18.6.-29.6.)


Der Wind pfeift durch die Masten, Regentropfen trommeln aufs Dach und der Himmel ist dunkel, wie sonst zurzeit nur mitten in der Nacht- endlich mal wieder Blogschreibzeit. Wobei, wenn ich ehrlich bin, fällt es mir in diesem Jahr schon echt schwer, mich zum Schreiben zu motivieren, brauche ich eine „Schönwetterpause“, um keine Ausrede mehr zu finden. Irgendwie bin ich im Urlaub angekommen …genieße die Einfachheit, Meer und Natur, Gespräche mit Fremden und Freunden. Eine Zeit ohne wirklich bemerkenswerte Ereignisse , aber eben auch ohne Anspannung oder Druck.
 Das Seebad Pärnu war in Estland nunmehr unsere erste Station. Ganz im Norden der Pärnu- Bucht gelegen, war lange nicht klar, ob es uns möglich ist, sie zu erreichen (Windrichtung bestimmt Route!), wollten wir doch Mittsommer, ein paar Tage später, auf der Insel Kihnu verbringen. Aber durch die in Lettland unfreiwillig eingesparte Zeit und den pünktlich einsetzenden Südwestwind funktionierte diese Idee und wir bogen unter Segeln am 18.6. nachmittags in die Hafeneinfahrt ein. Eine Kinderregatta (Bootstyp Optimist) genau vor den Gästestegen hinderte uns kurzzeitig am Anlanden, aber ein paar Kreisel später nahm ein junger, perfektes Englisch sprechender Hafenmeister die Leinen entgegen. Gleich nach dem Bezahlen fanden wir im Hafengelände einen kleinen aber feinen Segelausstatter und konnten Schäkel, Karabiner und Leinen ergänzen. Nicht gerade preiswert, aber die Möglichkeiten dazu waren trotz permanenter Nachfrage so rar, dass wir sie nutzen mussten. Pärnu, 1251 vom Deutschen Orden gegründet, zeigte sich, nicht nur wegen des Sonnenscheins, von seiner schönsten Seite. Bei Hunderunden und Spaziergängen erkundeten wir die verschiedenen Ecken der „estnischen Sommerhauptstadt“, die von einem Grüngürtel mit Parkanlagen – sehr Paulefreundlich-  umgeben ist. Ein Spa-Hotel am Anderen und ein langer Sandstrand locken nicht nur einheimische Kur- und Badegäste in den Ort, welche aber auch in der gemütlichen, von farbig gestalteten alten Holzhäusern dominierten, Innenstadt Wohlfühloasen finden.
LRS?!

Bummel durch Pärnu
Und auch ich fühlte mich ab dem zweiten Tag vor Ort wieder wohl, gelang es mir doch im modernen Einkaufstempel vor den Toren der Stadt, meine Handykarte für Carstens Ersatztelefon nutzbar zu machen und somit wieder erreichbar und kontaktfähig zu sein. Wichtig! Der Hafen füllte sich spürbar vor allem mit finnischen Booten. Die Mittsommerpartys der Finnen seien legendär, hörten wir…uns allerdings reichte eine „lustige“ alkoholisierte Nachbarcrew völlig aus- Zeit zur Flucht. Am 21.6. motorten wir, bei vollständiger Windstille und bedrohlich dunkler werdendem Himmel, kurzentschlossen mittags fünf Stunden zur Insel Kihnu. Auf der nur 7kmx 4km großen Insel am südwestlichen Ende der Pärnu- Bucht erhofften wir uns eine traditionellere Variante der Sonnenwendfeier und ein Wiedersehen mit Armgard und Swen- Olaf von der „Element“. Bei Ankunft war die Steganlage gut gefüllt und die gerade einlaufende Fähre brachte auch eine nicht geringe Anzahl neuer Touristen. Dies zwei Tage vor dem Ereignis- unsere Hoffnungen auf ein paar beschauliche Stunden schwanden dahin. Als aber am Abend viele Touris wieder abfuhren und sich der Steg am nächsten Morgen nach dem Ausschlafen ebenfalls fast leer präsentierte, waren wir schnell versöhnt. Auch wenn sich Kihnu auf den ersten Blick durch die Fährverbindung mit dem Festland betriebsamer als Ruhnu zeigte, schien sie auf den Zweiten wie „aus der Zeit gefallen“.  Einheimische aller Altersklassen, welche im Alltag ganz selbstverständlich Trachtenkleidung tragen, verstreute Ansiedlungen, naturbelassene Strände, Inselverkehr, welcher durch Fahrräder, Motorräder mit Beiwagen und LKWs, die auf der Ladefläche Menschen transportieren, geprägt ist- schon wirklich besonders. Und da habe ich den Inselsnack, salzigen getrockneten Hornhecht, noch nicht mal probiert…
Öffentlicher Nahverkehr...

Inselblitzer
Eine liebe Einladung zum gemeinsamen Frühstück auf der „Element“, mit vielen Geschichten und Erlebnissen aus den vergangenen Tagen gewürzt (das kann schon mal bis 12 Uhr gehen…), Strandzeit und Waldspaziergänge mit Paule (nächstens gehört eine Frisbeescheibe ins Boot- hier gab es eine frei zugängige 12- Loch- Frisbeegolfanlage!), Leute „gucken“, lesen- es wurde auch die folgenden zwei Tage nie langweilig. Am 23.6. lösten wir dann unser Versprechen beim Fahrradverleiher der Insel ein und mieteten zwei Räder für den Abend. Da Paule im Boot blieb, konnten wir vor der Mittsommerfeier noch einen Abstecher zum am südlichen Ende der Insel gelegenen Leuchtturm machen und mussten auch in der Nacht nicht 2,5km zu Fuß durch den Wald zurück laufen.


Ab 20 Uhr füllte sich dann der Fest- und Sportplatz in der Mitte der Insel mit den, durch ihre Kleidung leicht erkennbaren,  Einheimischen und doch erstaunlich vielen Gästen. Ein traditioneller Teil mit Liedern und Tänzen vorgeführt durch Menschen aller Altersklassen (ca. 6 bis 80 Jahre) leitete den Abend ein, bevor mit dem Anzünden des Johannisfeuers, das Signal für Musik und Tanz für Jedermann gegeben wurde.  Eine geschmückte Lkw-Ladefläche fungierte als Bühne für Livemusik, eine große Tanzfläche, zwei Imbiss- und Getränkestände zur Versorgung der Menge- mehr brauchte es nicht für einen tollen Abend in lustiger und fröhlicher Atmosphäre. Ach ja, vier Holzhäuschen mit Loch im Boden am Waldesrand (=Toilette) gab es auch noch. Nur gut, dass die Nacht so hell nun auch wieder nicht war…

 

Mit 12 Knoten Wind rechneten wir am nächsten Tag für die 35 Seemeilen nach Kuivastu, mehr als 20kn stellten sich bald ein und dies gegen an. Nach 50 gekreuzten sm in 11 Stunden landeten wir, nach einer guten Idee der „Element“ den Törn abzubrechen, in Louderanna. Blieben eine Nacht (25€, es wird immer teurer!), genauso wie in Kuivastu (direkt am hochfrequentierten Fähranleger- kein Flair, aber Sauna incl.). Zurzeit pfeift uns in Haapsalu der Wind mit über 25 Knoten um die Ohren, laut Vorhersage werden wir hier mindestens 3 Tage „eingeweht“. Aber durch das nette Örtchen lässt sich gut bummeln, der Hafen hat einen guten Standard, Wäsche muss gewaschen werden, Vorräte ergänzt und natürlich endlich mal wieder Blog geschrieben werden…

 

Mittwoch, 19. Juni 2019

Lettische Überraschungen (11.6.-17.6.)


Da wir Riga, die Hauptstadt Lettlands, auf Grund des Windes vorab ausgelassen hatten, ging es von Ruhnu das erste Mal in südliche Richtung weiter und dies gleich lange 60sm. Tatsächlich schien der Wind sich auf unsere Pläne einzulassen und wir segelten bei wechselhaften Wetterverhältnissen fast vollständig unter Windsteueranlage mit ungefähr 6 Knoten Geschwindigkeit. Da Carsten somit nicht am Ruder stehen brauchte, konnte er seine Kräfte fürs mehrmals nötige Reffen und Ausreffen einsetzen, wäre ja sonst auch langweilig geworden. Nur die letzten 7sm Flussfahrt (Daugava) unter Motor bis zum Stadthafen Riga  zogen sich gefühlt ewig hin. Obwohl dieser mit seiner Lage dicht an der Altstadt sicher der unruhigste Standplatz ist, wählten wir ihn, um auch mal ohne Paule ein paar Schritte gehen zu können. Nur fünf Gastboote lagen vor Ort und kein Hafenmeister zu finden. Zum Glück war ein freundlicher Pole des Englischen mächtig und so fanden wir mit seiner Hilfe zumindest Toilette und Dusche. „Hinter dem Restaurant einen schmalen, grünen Gang entlang aber vor der Küche rechts!“ Der Hafenmeister flog abends dann per Boot doch noch ein (= fliegender Hafenmeister; er betreut zwei Marinas) und kassierte 25€/ Nacht. Na ja, der Preis war zwar der größten Stadt des Baltikums (650000Ew.) angemessen, nicht aber dem vorhandenen Service. Die polnische Jugend auf dem Boot neben uns nutzte  die fehlende Kontrolle gleich weidlich aus. Nach reichlich Alkohol versuchten sie sich 1.30 Uhr lautstark auf einen Liedtext zur Gitarre zu einigen,  was aber hörbar misslang. Die schnell herbei gesuchten Gehörschutzstöpsel linderten unsere Qual vielleicht ein wenig, gegen die innere Wut halfen sie allerdings nicht.
Am nächsten Tag stürzten wir uns unausgeschlafen ins Stadtgetümmel. Mich interessierte vor allem das alte Riga, dessen Anfänge auf das 13. Jh. zurückgehen. Viele Gebäude blieben trotz zweier Weltkriege erhalten oder wurden detailgetreu wieder aufgebaut. Zu Beginn war von „Getümmel“ nichts zu spüren, liefen wir doch lange im Grünen, d.h. am Stadtkanal entlang, welcher die historische Altstadt fast umschließt. Zwischen alten Bäumen, Skulpturen, Springbrunnen ging es über verzweigte Wege in „Pauletempo“ Richtung Zentrum. Bei um die 30°C konnten wir ihn natürlich nicht auf dem Boot lassen. Dort war hinter jeder Ecke ein anderes schmuckes Gebäude zu entdecken- Jakobskathedrale, Dom, Rathausplatz mit Schwarzhäupterhaus, Livenplatz mit Gildenhäusern und Katzenhaus, Petrikirche (von deren Turm man einen tollen Blick über die Altstadt hat), Jugendstilhäuser und überall Restaurants und Straßencafés und Kneipen…Besonders hatte es uns aber die Vielfalt des Zentralmarktes (rund 72000m², 5 Hallen plus Außengelände) angetan- liefen wir am ersten Tag noch staunend durch die schier unendlichen Gänge, ergänzten wir einen Tag später unsere Vorräte an Fisch, Obst und Gemüse sowie frischem Brot dort. Als Carsten am Ende des 2. Tages bemerkte: „Wenn wir noch einen Tag durch die Stadt tigern, kann ich hier Stadtführer werden…!“, war klar, dass es bald weitergehen muss. Martin, unser fliegender Hafenmeister, kündigte für das bevorstehende Wochenende auch gleich noch „wahrscheinliche Lärmbelästigung“ an und so fiel uns der Abschied noch leichter. Dazu hatten wir die Hoffnung, mal einen Hafen mit Bademöglichkeit zu finden. Da es eine sehr überschaubare Anzahl von Häfen im Osten der Rigaer Bucht gibt, wählten wir den in kürzester Entfernung (27sm)- Skulte. Sprach unser älteres Hafenhandbuch von einem Steg ohne Serviceeinrichtungen aber geplantem Neubau, wies eine Karte/Prospekt den Hafen mit 50 Liegeplätzen und (außer Duschen?!) vollem Service aus. Auf letztere Aussagen vertrauend ging es nach der Passage der Daugava, unter Segel bei mäßigem Wind und zunehmendem Dunst, voran. Zum Glück sahen wir gerade noch rechtzeitig die rechts und links des Fahrwassers markierten Schwimmnetze der Fischer und kurvten fluchend herum. In diesem Teil der Ostsee sollte man echt keine Abkürzungen versuchen. Die Hafeneinfahrt Skulte war gut zu erkennen. Weitsichtbare Holz- und Holzspanberge flankierten gelbleuchtend die Einfahrt beidseitig. Gespannt folgten wir dem Flusslauf der Age und fanden… nichts. Ganz am Ende, kurz bevor das immer schmaler werdende Flüsschen um eine letzte Biegung verschwand, erblickten wir einen Holzsteg vor einer Werft, an welchem 5 Boote vertäut lagen. Sollte dies die 50-Platz-Marina sein?! Irgendwie eine 0 zu viel! Etwas irritiert machten wir am letzten freien Liegeplatz fest. Es stellte sich schnell heraus, dass tatsächlich nichts vorhanden war, kein Wasser, keine Toilette, selbst der Stromkasten stand viel weiter weg, als unser Kabel lang war. Was nun? In keiner Richtung gab es einen nahen Ausweichhafen, also hieß es, sich unter „Ankerbedingungen“ einzurichten- kostenfrei mit dem Luxus des Landzuganges. Wir schnappten uns Paule und wollten wenigstens einen Blick auf das „…idyllische Dorf mit hübschen Sommerhäusern inmitten großer Gärten…“(Küstenhandbuch Baltikum) werfen. Aber egal in welche Richtung wir das weitläufige und durchaus grüne Firmengelände auch verlassen wollten, immer scheiterten wir an verschlossenen Toren! Na gut, eins war offen. Aber das große Vorhängeschloss konnte man nicht übersehen und der Fischer, der gerade auf diesem Weg gekommen war, wollte vielleicht bald wieder hinaus. Die Gefahr bestand also, dass wir nach Verlassen des Geländes ausgesperrt wären! Dieses Risiko scheuend verblieben wir also „völlig freiwillig“ und frustriert innerhalb des Zaunes und ließen das Dorf links liegen. Am Abend stellte sich dann tatsächlich doch noch die versprochene idyllische Atmosphäre ein. Kein Zivilisationsgeräusch, nur Vogelgezwitscher und Möwengezänk waren zu hören, kein Mensch zu sehen und die Bootsausrichtung mit Blick ins Grüne verleiteten Carsten dazu, die bisher ungenutzte Angel hervorzuholen. Und nicht einmal der fehlende Angelerfolg konnte uns noch schockieren…Vor allem Paule wollten wir aber natürlich nicht weiter diesen „Käfigbedingungen“ aussetzen und so ging es am nächsten Morgen gleich weiter nach Salagriva/ Kuivizi. Auch hier wies unser neues Prospekt 35 Liegeplätze bei vollem Service aus, die sollten in der Vorsaison genügen. So einen Reinfall erlebt man sicher nicht zweimal. Man soll niemals „nie“ sagen! Auch in Kuivizi folgten wir dem Flusslauf, bogen rechter Hand zur vermeintlichen Marina ab und…fanden diesmal nicht einmal den einen freien Platz. Allerdings gab es auch längst nicht 35 davon, sondern höchstens 10 und die waren von Einheimischen belegt. Ein alter Mann rief uns vom gegenüberliegenden Ufer auf Deutsch zu, wir könnten dort an einem Schwimmponton (Arbeitsplattform) festmachen, das sei sicher ok. Gesagt- getan. Da wir keine Lust auf Experimente hatten folgten wir seinem Vorschlag. Im nahen Hotel mussten wir dafür tatsächlich später auch noch 22€ Liegegebühr bezahlen! Im Gespräch hinterfragten wir die Unstimmigkeiten des Prospektes natürlich. Er lächelte nur und erwiderte: „So ist Lettland. In Estland wird es wieder besser!“. Na dann, schauen wir mal…

In der Fischhalle


Riga- Sonnenuntergang im Stadthafen
Skulte - Werftsteg...
...mit Blick ins Grüne

Kuivizi- exklusiver Landeplatz

Strand Kuivizi- Paule ist selig...

Mittwoch, 12. Juni 2019

Inselfreuden ( 7.6.-10.6.)


„AH Kuressaare! Es ist wirklich schön dort…“ hörten wir sehr häufig als Antwort, wenn wir nach unserem nächsten Zielhafen gefragt wurden. Nur 25 sm von Möntu entfernt und ebenfalls auf der Insel Saareema liegend, war Ahrensburg, so der deutsche Name, in kurzer Zeit erreichbar. Erstmals mit Am-Wind- Kurs (Wind kommt schräg von vorn) unterwegs, erlebten wir einen schönen Segeltag bei Sonne und gutem Wind. Beim Erreichen der Ansteuerungstonne für den Hafen packte Carsten der Übermut. Den wirklich schmalen Tonnenstrich wollte er, wegen des passenden Windes, mit Genua (Vorsegel), statt wie üblich unter Motor bewältigen. Keine tolle Idee fand ich, waren links und rechts der KETO Landaufschüttungen, mit wild kreischenden, dort brütenden Möwenkolonien, gefühlt zum Greifen nah. Aber wie immer in seglerischen Fragen setzte Carsten sich durch und bekam Recht. Ohne Probleme, abgesehen vom Jollensegler der uns auf unserer Spur entgegen kam und irgendwie unsere Nervenstärke testen wollte, erreichten wir unter der Kulisse der Burg den Zielhafen. Und trafen dort, wie erwartet, die „Aphrodite“ mit Olaf (gerade seinen Blog -Die Reise der „Aphrodite“- schreibend) wieder. Schnell verabredeten wir einen letzten gemeinsamen Abend in der Stadt und bummelten bis dahin mit Paule durch die unmittelbare Umgebung. Saubere und durchdachte Sanitäranlagen, nahe Einkaufsmöglichkeit, lustige Statuen, eine riesige Badebucht, Wiesen und Parks, eine restaurierte Burganlage- für jeden war etwas dabei. Abends, ohne den an der Leine ziehenden Paule unterwegs, genossen wir das wirklich hübsche Städtchen, ein außergewöhnlich leckeres Essen sowie das ein oder andere Getränk bei Loungemusik im „Chamäleon“. Dass mein Wunsch nach einem Radler erst mit einem bestätigenden Nicken und dann mit einem großen Cappuccino beantwortet wurde, störte dabei nicht im Geringsten. Nach Angabe des Mischungsverhältnisses und der Bier- sowie Limosorte bekam ich diesen später doch noch. Nicht allzu spät ging es,  nach einem von Olaf gesponserten „Absacker“, in die Kojen. Am nächsten Tag führte sein Weg  weiter Richtung Norden, während wir, geschuldet den „falschen“  Winden in Richtung Süden, zwei Hafentage einschoben. Nachdem wir die gut hergerichtete Burgaußenanlage schon bewundert hatten, ging es nun ins Innere. Für 8€ Eintritt konnte man sich, mit Hilfe eines dreiseitigen Orientierungsplanes, frei bewegen und das einen interessierende Museumsthema auswählen. Den Plan brauchte man auch, so verwinkelt und verschachtelt war es. Burggeschichte, Naturkunde, estnische Heimatgeschichte über mehrere Jahrhunderte bis in die Gegenwart, Textilkunst, Fotoausstellung u.a.m. Sehenswert und lehrreich waren sie alle und dank englischen Erklärungen auch verständlich.  Auch beim Besuch des Cafés im Burgturm gab es keinerlei Verständigungsschwierigkeiten… Noch einmal erkundete ich die Innenstadt allein (Kunsthandwerkerlädchen und Hinterhöfe) während Carsten Paule bespaßte und die Windsteuerungsanlage umbaute und schon waren die zwei Tage verflogen. Nur mein Handy verstand das mit dem Urlaub und Abschalten irgendwie falsch und verabschiedete sich. 
Enge Fahrrinne
Ruhnu Hafen
Sonntag (9.6.) starteten wir 6.45 Uhr nach Ruhnu. Dies ist die südlichste estnische Insel in der Rigaer Bucht und mit einer Ausdehnung von 5,5kmx 3,5km nicht eben groß. Circa  3km vom Hafen entfernt gibt es den einzigen Ort der Insel- Ringsu- mit 60 Einwohnern im Winter und 150 im Sommer. Die Inselkirche zählt zu den ältesten Holzbauwerken Estlands und stammt aus dem Jahr 1644. Das Freilichtmuseum dokumentiert die örtliche dörfliche Lebensweise in früherer Zeit. Vor allem aber findet man eins hier- Ruhe und Entspannung, den Duft von Kiefernwäldern in der Sonne und den des Tanges am Strand, Möwengekreisch als einzige Lärmquelle- Idylle pur. Bevor wir dies aber genießen konnten, hieß es erst mal die 42 sm hinter sich zu bringen. Gleich zu Beginn beim Segel setzen wurde es aufregend- ein Schäkelbolzen am Großsegelbaum hatte sich irgendwie oder –wann verabschiedet ohne Bescheid zu sagen. Carsten musste einige Zeit nach Ersatz suchen, da so das Segel nicht zu setzen, beziehungsweise nutzbar war, während ich krampfhaft bei kabbeliger Welle das Boot im Wind halten musste. Trotz gut gefüllter Ersatzteilkiste passte nichts. Eine Schraube fand sich dann als Provisorium und endlich ging es die verbleibenden 39sm gut voran. Der freundliche Hafenmeister nahm die Leinen entgegen und nach kurzer Einweisung in die örtlichen Gegebenheiten waren wir allein. Naja, zu diesem Zeitpunkt lagen noch drei andere Boote im neugebauten Hafen, aber bei eigentlich 40 vorhandenen Liegeplätzen fühlte man sich schon so. 
Das fand sicher auch die Möwe, die sich tatsächlich ein Stegende zum Brüten ausgesucht hatte. Nicht zu ersten Mal trafen wir auf die „Phantasie“, ein Charterboot, welches, mit festem Skipper aber abschnittsweise wechselnden Gästen, die Ostsee umrundet. Und eben dieser nette Mann half uns echt aus der Patsche und schenkte Carsten nach kurzem Gespräch einfach mal so den notwendigen Schäkel! Wieder einmal erlebten wir die unbeschreibliche Hilfsbereitschaft echter Segler… Am nächsten Tag bekam Paule nach ausgiebiger Strand- und Baderunde zwei Stunden Schlaf verordnet. Wir schnappten uns zwei der in ausreichender Menge herumstehenden Leihfahrräder und erkundeten die Insel. Nur bis zum Ort gab es eine asphaltierte Straße, der Rest des Wegesystems bestand aus Wald- oder Sandpfaden. Nicht so leicht bei Fahrrädern ohne Vorderbremsen, nur mit Rücktritt. Dafür besaß jeder sein eigenes Lenkerkörbchen- sehr praktisch zum Verstauen der Kleineinkäufe. Die Sehenswürdigkeiten Ringsus waren schnell abgefahren (hochgradig aggressive Mücken beschleunigten den Tritt!) und nach einem Abstecher zur Nordspitze der Insel ging es zurück. Beim Hafenmeister bekam ich auf meine Nachfrage, ob im, in unserer Karte eingezeichneten, militärischen Sperrgebiet am nächsten Tag geschossen wird, nur Verständnislosigkeit und Witze zu hören. Er habe seit 13 Jahren nichts von solchen Aktivitäten bemerkt, wir sollten einfach fahren und er würde uns genau beobachten. Bei einer Explosion wüsste er dann ja Bescheid…Also, auf nach Riga!








Mittwoch, 5. Juni 2019

Augen zu und durch (28.5.-6.6.)


KETO vor Queen Victoria bei Ausfahrt Klaipeda

Das im zweiten Teil unserer Ostseerunde einiges anders laufen würde war mir schon klar. Rein reisetechnisch waren es vor allem die Entfernungen zwischen den Häfen, die eine andere Dimension hatten. Sind für uns bisher Strecken über 50sm eher die Ausnahme gewesen, werden sie mittlerweile fast selbstverständlich. Besonders für Paule stellen sie, mit zum Teil über 10 Stunden Hundekoje, eine große Herausforderung dar. Und nun lag eine viel längere, vielleicht sogar die längste Strecke, vor uns. Klaipeda in Littauen musste der nächste Haltepunkt sein, obwohl durchaus noch russische Häfen anlaufbar wären. Da aber das An- und Abmelden zentral in Baltjisk stattfinden soll (Vorschrift), hätten wir danach wieder zurückfahren müssen. Das machte keinen Sinn, also „Augen zu und durch“! 6.45 Uhr legten wir in Wysmorje ab und motorten nach Baltjiskk. Wieder durchliefen wir eine moderate Zollkontrolle, Paule wurden noch 5 Minuten „Pullerpause“ auf russischem Boden zugestanden und dann ging´s richtig los. Mit gerefftem Vorsegel verließen wir den Hafen um kurze Zeit später wieder auszureffen- der angesagte Wind fehlte und nahm sogar immer weiter ab. Nachdem das Setzen des Spinnakers völlig in die Hose ging (Carsten entkam nur knapp dem herumfliegenden Spibaum), musste der Gennacker herhalten. Jetzt frischte der Wind natürlich auf und plötzlich ging es in rauschender Fahrt voran.  Die Meilen schmolzen nur so dahin und ich begann gerade von einer baldigen Ankunft zu träumen… als der Wind  wohl schlafen ging und einzig der Motor die verbleibenden 35 Seemeilen abarbeitete. Das Boot rollte unangenehm über die querlaufende Welle. Zwischenzeitlich war die Sonne untergegangen und die Müdigkeit ließ die Augen einfach zufallen. Nach einer kurzen Siesta unter Deck meinerseits (an Schlaf war nicht zu denken) diskutierte ich mit Carsten, auf der Leiter stehend, die von Olaf per Funk hinterfragte Bedeutung der Leuchtbojen um uns herum (Alternativen: Schießgebietsmarkierungen, ehemaliger Minenlegeort oder Munitionsversenkstelle…), als mich tatsächlich die Seekrankheit erwischte. Nach mittlerweile so vielen Meilen kam dies wie aus heiterem Himmel und machte die nächsten Stunden nicht angenehmer. Endlich schien Klaipeda greifbar nah und nur noch das Überwinden der unangenehm hohen und kraftvoll in der Hafeneinfahrten Wellen (Wassertiefe ändert sich hier schlagartig von 40m auf 11m) und der litauische Zoll standen zwischen uns und den ersehnten Betten. Vor lauter Aufregung hatte niemand an die fällige Anmeldung per Funk bei der Coast Guard gedacht und so fingen wir einen Rüffel des Küstenschutzes per Handzeichen vom Ufer und per Funk ab und die Anweisung, uns zum Zollsteg zu begeben. Ihre Anweisung wiedersprach aber der Aussage unserer Karte und da wir eher ihr als unseren Englischkenntnissen vertrauten, fuhren wir in das vermeintliche Zollbecken. In der allerletzten Ecke fanden wir einen Liegeplatz und wurden kurz darauf von zwei freundlichen litauischen Beamtinnen, welche unsere Irrfahrt vom Auto aus genau beobachtet hatten, begrüßt und abgefertigt. Jetzt hieß es nur noch die Brücke zu Festungsgraben zu passieren (unser Hafen), die pünktlich durch Angestellte per Muskelkraft (Drehbrücke) geöffnet wurde und endlich war es geschafft. 102 Seemeilen in 22 Stunden lagen hinter uns. Und Paule?! Mit gaaanz schlechtem Gewissen ob der zugemuteten Situation holten wir unseren Freund nach oben. Aber als ob diese Tour trotz ihrer Länge für ihn Alltag gewesen sei, eroberte er schwanzwedelnd das Deck, reckte die Nase in den Wind und machte so noch nicht mal den Eindruck durchlebter Not. Nicht einmal in der ganzen Zeit hatte er sich gemeldet, hatte den Großteil der Reise einfach verschlafen! Obwohl wir uns am liebsten in die Kojen verkrochen hätten, musste Paule nun zu seinem Recht kommen. So eroberten wir die nahe gelegene Innenstadt von Klaipeda früh 7 Uhr. Im einzig offenen Laden uns mit Brötchen und Kuchen versorgend, ging`s zurück und nach einem ausgiebigem Frühstück endlich ins Bett.

Nach solch durchwachter Nacht fiel eine sofortige Weiterfahrt aus. Überhaupt waren wir im Zweifel in welche Richtung. Die Kuhrische Nehrung wollten wir nicht so einfach auslassen, andererseits wehte uns der Wind entgegen, das Wetter war durchwachsen und auf 30sm unter Motor hatte niemand Lust. Zusammen mit Olaf begaben wir uns so am nächsten Tag zur Touristeninformation, um eine Busverbindung nach Nida (Hauptort auf der K.N.) zu erfragen. Der Plan war erfolgreich und uns blieb sogar noch ein wenig Zeit, um auf dem Marktplatz an ein paar Handwerkerständen vorbei zu bummeln (Töpfer, Weberinnen, Holzschnitzer, Textilgestalter und die in diesen Breitengraden allgegenwärtigen Bernsteinstände). Mit Fähre und Bus ging es später nach Nida. Durch schier endlose Kiefern- und Birkenwälder ging es voran. Nur manchmal blitzte links und rechts das spiegelnde Wasser der Ostsee bzw. des Haffs auf, waren die Häuser der kleinen Ansiedlungen zu sehen. Im Ort ging es hinauf auf die 52m hohe, weißleuchtende Parnidis Düne, auf der seit 1995 auch ein Sonnenuhr- Kalender steht. Für Paule ein Paradies, konnte er nach längerer Zeit mal wieder frei laufen und seinen eigenen Weg suchen. Nach der Mittagseinkehr in einem Lokal mit Biergarten und Blick aufs Haff (lecker aber nicht sehr viel), folgendem Spaziergang durch den hübschen Ort und Kaffepause ging es am Abend mit dem Bus zurück zum Boot. Die nächsten Stationen sind schnell genannt: Liepaja (30.5./31.5.), Pavilosta (1.6./2.6.), Ventspils (3.6.).Wir empfanden sie, außer  Pavilosta, als wenig sehenswert, nutzten sie zum Einkauf und als reine Durchgangshäfen. Im letzteren Ort lud dagegen ein nicht endender Sandstrand zu Spaziergängen ein und ließ wenigstens ein bisschen Urlaubsstimmung aufkommen. Dazu gab`s einen sehr netten und ausgezeichnet deutsch sprechenden Hafenmeister, der uns viel über Land und Leute in Lettland erzählen konnte. Seit gestern (4.6.) liegen wir in Montu an der Südspitze der estnischen Insel Saaremaa im Westen der Rigaer Bucht. Ein nagelneu gestalteter Hafen (incl. Sauna) in natürlicher Umgebung überraschte uns hier. Und schon wieder schieben wir einen Tag Urlaub ein- Zeit haben wir im Moment genug…  
Sonnenaufgang im Hafen von Klaipeda

Hafen Festungsgraben
Ännchen von Tharau...

Sonnenuhr
Blick von der Düne

Freundliche Verabschiedung durch den litauschen Zoll