Mittwoch, 19. September 2018

Gegen den Wind


Woher kommt der Wind...?
Nach meinem Geburtstag sollte es zügig in Richtung Heimat gen Süden weiter gehen. Aber wie eigentlich fast ständig auf dieser Tour (erwähnte ich das schon einmal? ;-) ) hatte irgendein Windgott etwas dagegen. Nicht nur die Richtung war falsch, nein, jetzt kam auch noch Starkwind dazu, d.h. Windstärken zwischen 6 und 8 (in Böen bis 40 Knoten!). Keine Chance also zur Weiterfahrt für uns und so blieben wir zwangsläufig  weitere 3 Tage in Nynäshamn. Die Stimmung sank gegen 0, als auch jede neue Prognose keine Änderung dieser Situation versprach, ja uns sogar Wellenhöhen über 2m in Aussicht gestellt wurden. Die einzige Möglichkeit bestand darin, den langen Schlag nach Oxelösund in zwei Teilen zu absolvieren. Ein kleines Windfenster am Donnerstag (13.9. ) gegen Mittag versprach etwas schwächere Winde und so ging es bei Gegenwind in den Norden der 12sm entfernt liegenden Insel Öje. Eine unspektakuläre Überfahrt schien uns in dieser Entscheidung Recht zu geben. Für die Hafeneinfahrt wären Herztropfen allerdings keine schlechte Wahl gewesen (einlaufende große Welle von See!). Es empfingen uns ein schön gelegener Naturhafen mit Betonpier und ein rühriger, deutsch sprechender Hafenmeister. Am Nachmittag erkundeten wir die noch bis 1999 nicht zugängige Insel (vom Militär genutzt) mit dem Ziel, den bekannten Leuchtturm von Landsort an der Südspitze zu Gesicht zu bekommen. In der folgenden Nacht bekamen wir beide nicht viel Schlaf. Ein unheimlicher Schwell stand im Hafen und schüttelte das Boot begleitet von pfeifenden Windgeräuschen ordentlich durch. Dazu noch die Vorahnung einer stressigen und nicht ungefährlichen Überfahrt eben mit Gegenwind, unter Motor mit vorhergesagter gegenlaufender Welle von über einem Meter und immerhin über 28sm Streckenlänge und bisher kam es immer schlimmer als jede Vorhersage!!!  Kurz zuvor hatten wir auch noch von einer leckgeschlagenen Yacht vor Bornholm gehört, die durch eine Welle auf Felsen getragen wurde und sank. Unausgeschlafen ging es nach Sonnenaufgang mit den Vorbereitungen los, die gefühlt ewig dauerten. Schon die Planung, wie wir dieses Mal am besten die enge, durch Felsen gesäumte Hafenausfahrt passieren ließ die Aufregung steigen. Und dann ging es los… Was soll ich sagen: es wurde der befürchtete wilde, laute und ruppige Ritt. Die KETO wurde von links nach rechts und zurück geschüttelt, bezwang aber Wellenberg um Wellenberg (souverän geführt durch den Kapitän!) und knallte doch das eine oder andere Mal sehr unsanft in die Wellentäler. Jede einzelne Welle musste unter Motor angesteuert werden. Manche waren tatsächlich übermannsgroß (Carsten konnte nicht darüber schauen) und dann kamen sie noch aus verschiedenen Richtungen (Wellenrichtung ungleich Seegang).  Unter Deck gehen funktionierte gar nicht, also klammerte ich mich einfach oben an irgendetwas fest und versuchte meinen Körper in der Pflicht so zu verkeilen, dass ich nicht durch die Gegend flog. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwas über 3 Knoten schien die Zeit still zu stehen bis das Ziel auszumachen war. Insgesamt  8 Stunden dauerte die Tortur… In Oxelösund begrüßte uns ein leerer
Landsort auf Öje - Leuchtturm
und geschlossener Gästehafen, d.h. wir konnten anlegen, aber alle Serviceeinrichtungen waren zu (Toilette, Dusche, Tankstelle…). Auch ein Bezahlen war trotz Anruf einfach nicht möglich. Ein Spaziergang mit Paule in die Stadt und eine Einkehr beim örtlichen Kebabladen  sowie beim Supermarkt brachte uns ein wenig „runter“. Nach einem Blick in die Windvorhersage war aber klar: der Westwind am nächsten Tag früh musste genutzt werden um weiter zu kommen, schon mittags sollte er sich wieder (na was wohl…) auf Südwest umstellen, was erneut gegenanfahren bedeuten würde. Wieder bekamen wir wenig Schlaf, der Schwell im Hafen rollte das Boot dieses Mal seitlich hin und her. Am nächsten Morgen brachte uns eigentlich nur die Einsicht in die Notwendigkeit aus den Betten, von „Wollen war längst keine Rede mehr. Belohnt wurden wir mit einer relativ ruhigen Fahrt bei kleiner Welle durch eine beeindruckend schöne Schärenlandschaft. Sogar das Vorsegel kam häufig zum Einsatz.

 In Fyrudden erwartete uns geradezu ein Kontrastprogramm zum vorherigen Hafen. Sowohl Tankstelle als auch Bezahlen der Liegegebühr und Zugangscode für die Sanitäreinrichtungen erhielt man beim Bezahlen am Automaten – so einfach ist das… Der abendliche Spaziergang führte durch ein locker bebautes Wohngebiet ohne Zäune mit herrlichem Ausblick auf die vorgelagerten  Schären. Sogar drei Rehe trafen wir unterwegs. In nur 10m Entfernung standen sie vor uns, guckten erstaunt und gingen ohne Hast davon. Erstaunt geschaut haben wir am Abend dann auch noch. Plötzlich tauchte vor dem Boot auf dem sonst menschenleeren Kai ein Soldat in Kampfkleidung, mit geschwärztem Gesicht und Gewehr auf. Da überlegt man sich schon mal kurz, welches geltende Recht man gerade verletzt haben könnte… So schnell wie er da war, verschwand er aber auch wieder. Als dann am nächsten Tag gegen 7 vier offene Boote einen ganzen Trupp dieser „Kämpfer“ an der Tankstelle ausschütteten, konnte dies uns schon nicht mehr erschüttern. Schließlich stand der nächste lange Tag an, noch einmal sollte es 36sm weiter südlich nach Västervik gehen und der Wind sollte es nach Vorhersage einige Zeit gut mit uns meinen…