Freitag, 31. Mai 2019

Kaliningrad(Königsberg)/ Russland (23.5.- 27.5.)


Wysmorje
Was hatten wir nicht alles gehört oder gelesen. Russland mit dem Segelboot zu bereisen sei teuer(Visum), nicht kalkulierbar, stressig, man sei bürokratischer Willkür ausgesetzt und andere „mutmachende“ Aussagen. Nur Wenige äußerten sich uneingeschränkt positiv und stellten z.B. die Gastfreundschaft der Menschen in den Vordergrund. Davon wollten wir uns nun selbst ein Bild machen und integrierten Kaliningrad und St. Petersburg in unsere Reise. Schon Wochen vorher mussten Visa beantragt und Dokumente kopiert werden und Paule brauchte ein tierärztliches Gesundheitszeugnis. Die konkrete Planung erfolgte zusammen mit Olaf von der Aphrodite in Gdansk. Die Analyse der Voraussetzungen- Wind, Wetter, Wellenhöhen, Zeiten für frei durch fahrbare Schießgebiete, Zollöffnungszeiten, Entfernungen…- ergaben den Abreisetermin 23.Mai. Auch wenn der polnische Zoll früh um 5 etwas auf sich warten ließ (Patrouille), passte alles prima. Bald stand die KETO unter Segeln und brauste mit zum Teil mehr als 9 Knoten in Richtung Osten. Hohe Wellen von hinten beschleunigten die Fahrt und wollten unbedingt bei uns einsteigen. Zum Glück haben wir einen hohen Bord und es blieb bei ein paar Spritzern. 10 Stunden später erreichten wir den Hafen von Baltijsk (Pillau). Dort sollte der Zoll zu finden sein, bei dem die Einklarierung nach Russland stattfinden muss. Aber wo bitte ist Hafenbecken 3? Links und rechts säumten Handelsschiffe und Kräne, Container- und Schüttgutlager das Ufer aber irgendwie mitten durch links abbiegend tat sich der kleine Holzsteg tatsächlich am Ende des Beckens auf. Im Regen begrüßten uns zwei uniformierte Beamte und verlangten die Pässe, zwei weitere wollten aufs Boot zum Formulare ausfüllen, verfolgt von noch Zweien, welche, ausgerüstet mit Taschenlampe und Fotoapparat, die KETO unter die Lupe nahmen und dabei den Inhalt jeder Öffnung des Bootes fotografisch dokumentierten. Nur der Suchhund (Deutscher Schäferhund) kam nicht an Bord, die Konfrontation mit Paule sollte wohl vermieden werden. Alles verlief in freundlich exakter Atmosphäre und trotz fehlender Sprachkenntnisse und sehr beengten Bedingungen zur beiderseitigen Zufriedenheit. Noch weitere 11sm lagen vor uns, dient der Hafen Baltijsk doch ausschließlich als Zoll- und Handelshafen. Zweieinhalb Stunden unter Motor ging es die Pillauer Rinne in Richtung Kaliningrad, welches sogar 20sm entfernt liegt. Unser Ziel aber war Wysmorje (Haidekrug), welcher wohl der einzige nahe Haltepunkt für Segelboote ist. In den kleinen Hafen einbiegend winkte man uns dort sofort auf einen freien Platz, viele gab es davon nicht gerade. Ein gut Englisch sprechender Verantwortlicher hieß uns willkommen und erklärte die Bedingungen: 20€/Nacht, Toilette im Dixiehäuschen, Dusche ebenso, Strom und Wasser(nicht trinkbar) frei, kein W-LAN, Einkaufsmöglichkeiten im Ort, Verbindung nach Kaliningrad  und… eigentlich sei kein Platz bis Sonntag frei, da sie Vereinsregatta hätten, aber er werde mal sehen. Am Ende durften wir sogar bis Montag bleiben und erlebten einen lustigen Nachmittag mit russischem Vereinsleben. Zuvor stand aber Stadtbesichtigung an. Nach dem Bezahlen von sagenumwobenen 55 Rubeln (80Cent) bei einer Schaffnerin mit Ticketrollen über der Brust fuhren wir die halbstündige Strecke mit einem Reisebus in die City. Schnell versuchend die ausgerufenen Haltestellen auf einem Stadtplan zu orten, stiegen wir tatsächlich zentrumsnah aus. Modernes Großstadtleben vor unserer Nase (viel Verkehr, Einkaufszentren, Menschenströme…), fühlten wir uns plötzlich ein wenig zeitversetzt: goldglänzende „Zwiebeltürmchen“ auf der Kirche und trachtengeschmückte Kindertanz- und Musikgruppen ließen uns wirklich begreifen: wir sind in Russland. Bald erkannten wir, dass der vieljährige Russischunterricht doch nicht ganz vergebens war. Auch wenn fast alle Vokabeln verschütt gegangen sind, konnten wir die kyrillischen Buchstaben wenigstens lesen und so oft auch erschließen. Und irgendwie schien auch ein gewisser Wortschatz im Hinterstübchen abgespeichert worden zu sein. Als mich z.B. die Kellnerin auf Russisch fragte, ob ich meine Soljanka mit oder ohne Sahne möchte, verstand und antwortete ich ohne Nachzudenken. Verrückt! Wir besuchten in den zwei Tagen in der Stadt einen riesigen Markt (und kauften deutsche Haferflocken) und das Geburtshaus meines Vaters, wurden im Fußballstadion des Platzes verwiesen (nur wegen Paule), aßen uns durch die Speisekarte einer Gaststätte (zumindest fast, hier gab`s freies W-LAN), spazierten über die Kantinsel mit Dom und erlebten den „Überfall“ einer Bande wilder Jetskifahrer auf nahe am Fluss sitzende oder laufende Touristen (die durch schnelles Driften entstehende Heckfontäne weichte nicht nur einen völlig ein). Auf dem Weg zurück zum Yachthafen ergänzten wir preiswert unsere Nahrungsvorräte und Trinkwasser im „Magazin“ (große Tante- Emma-Läden mit freundlicher Bedienung) und im tollen Laden des „Fischkolchos“. Am nächsten Tag stand die erwähnte Regatta auf dem Plan. Allerdings bekamen wir davon kaum etwas mit, war sie doch schon nach ca. 3 Stunden wieder beendet. Sowieso schien der anschließende gesellige Teil der Wichtigere zu sein. 70 Liter Freibier, Fischsuppe im Riesentopf über dem Feuer und große aufgeklappte geräucherte Fische unbekannter Art (aber total lecker) ließen die Stimmung schnell steigen. Und wir waren dazu eingeladen! Spätestens als der erste Tost ausgebracht wurde (verstanden haben wir nur „deutsche Freunde“ und „Druschba = Freundschaft“) wären wir vor Scham am liebsten in den Boden versunken. Das verstärkte sich noch, als der Vereins-Chef den beiden deutschen Booten die Preise für Platz 2 und 3 der „Offenen Kategorie“ der Regatta überreichte, ohne dass wir überhaupt daran teilgenommen hatten! Bis in den Abend hinein pflegten wir, in verschiedenen Sprachen radebrechend und einen Wodka nach dem anderen trinkend, die russisch- deutsche Freundschaft. Ein Erlebnis, welches noch lange nachhallte. Und dies nicht nur, weil ein Teil unseres Preises, ein riesiger Räucherfisch, noch tagelang unseren Speiseplan bestimmen wird… 






Wetter und andere Kapriolen (14.5.- 22.5.19)


Obwohl wir uns auf ruhige Tage in Leba eingerichtet hatten, konnten wir uns nicht über Langeweile beklagen. Zum einen erwachte die an und für sich nette Marina aus dem Winterschlaf- rings herum wurde geräumt, gemalert , gepflanzt und gesperrt. So zum Beispiel die Sanitäranlagen der Männer und einen Tag später dann die der Frauen – unlustig. Noch weniger spaßig war das Absperren des Elektrokastens incl. unseres Stromkabels am Abreisetag (Startzeit 7 Uhr). Wegen Prellens der Marinakosten erklärte unwirsch der eilig herbeigerufene Hafenmeister. Erst ein Vorzeigen aller 6 Quittungen überzeugte ihn von seinem Irrtum. Manchmal lohnt sich doch Dinge aufzuheben…J Zum anderen erlebten wir ein Stückchen mit, wie schnell sich beim Segeln Situationen ändern können. Gerade noch sitzt man mit „Nachbars“ von der „Aphrodite“ und der „Element“ abends bei einem Schluck Wein zusammen, klönt über Erlebnisse und die von allen geplante Ostseerunde und am Nachmittag des nächsten Tages werden letztgenannte durch den Seenotdienst (SAR) sechs Seemeilen vor Leba wegen Ruderverlustes „eingesammelt“ und spektakulär zurück in den Hafen geschleppt- noch viel unlustiger! Auch das junge Paar neben uns, welches am Morgen direkt nach Klaipeda/ Littauen, segeln wollte, musste wegen Batterieausfalls  im Hafen bleiben- der Motor sprang gar nicht erst an. Da konnten wir froh sein, dass bei uns alles klappte. Pünktlich ging es los, zumindest bis in die Hafenausfahrt. Dort rumste es mächtig und wir saßen auf einer Sandbank, welche sicher durch den Sturm der letzten Tage entstanden war. Schnell gelang es Carsten die KETO loszueisen, aber einen mächtigen Schreck bekamen wir doch. Der Wind schien sich ausgetobt zu haben, wir dümpelten nur so dahin und entschieden uns weiter unter Motor zu fahren- 34 sm, rund 7 Stunden. Der Dunst an der Küste wurde immer dichter, bald bewegten wir uns im dicken Nebel vorwärts. Wenn dann plötzlich, wie aus dem Nichts, eine große Boje neben dem Boot auftaucht, die im Plotter gar nicht zu finden ist, erhöht das die Spannung ungemein! Spannend fand ich auch den erstmalig durch uns eingesetzten Funk. Laut Hafenhandbuch machte es Sinn, sich beim Hafenmeister in Wladislawowo anzumelden, um keinem ein- oder auslaufenden Fischkutter in die Quere zu kommen. Auf Englisch bat ich also um die Erlaubnis zur Einfahrt und bekam sie tatsächlich umgehend. Hoffentlich klappt das in Russland, wo genau dies dringend nötig ist und erwartet wird, auch so gut! Der Ort Wladislawowo ist keine Reise wert. Der größte Fischereihafen Polens, mit einem Holzsteg für Segelyachten, ist umgeben von Neubausiedlungen und einem kleinen Vergnügungspark- nichts dabei, was uns zum Bleiben einladen würde. So ging es schon am nächsten Morgen weiter nach Hel. Nur teilweise unter Segeln bewältigten wir die 22 sm in gemütlichen 5 Stunden. Hier gefiel es uns so viel besser, dass wir überlegten, sogar noch einen weiteren Tag zu bleiben. Aber der Wind sollte am nächsten Tag ideal für eine Überfahrt nach Gdansk sein, sodass der Wunsch zurückgestellt wurde. Noch am Nachmittag erkundeten wir den kleinen Ort an der Spitze der gleichnamigen Halbinsel, der vor allem wegen seiner tollen Strände sehr beliebt ist. Wir bummelten durch eine schöne Fußgängerzone mit reichhaltigem Gastronomieangebot, fanden eine Robbenauffangstation, die wir leider wegen Paule nicht besuchen konnten, lasen in einer Fotodokumentationsstrecke über einen gestrandeten Wal und bewunderten eine Skulptur eines ebensolchen aus Plastikflaschen. Das futuristischste Bauwerk des Hafens stellte sich bei näherer Betrachtung als unser Sanitärgebäude heraus, welches in der Vorsaison sagenumwobene drei Stunden (17-20 Uhr) geöffnet hatte. An einer Rezeption im Erdgeschoss bezahlte man umgerechnet 2 € und konnte dann im 1. Stock die doch etwas enttäuschenden Duschen nutzen. An diesem Abend war ich, glaube ich,  der einzige Besucher… Am nächsten Morgen stand der Wind tatsächlich gut und so segelten wir über die Danziger Bucht. Die letzten 5 sm muss man allerdings einen Kanal in Richtung Innenstadt motoren. Gleich nach der Einfahrt in diesen überragt das Denkmal der Westerplatte die Umgebung. Sich bewusst machend, dass hier mit einem Schuss eines deutschen Kriegsschiffes auf die polnische Garnison der 2. Weltkrieg begann, mit all seinem Leid für viele Völker der Welt, fuhren wir nachdenklich und bewegt weiter. Scheinbar endlos zogen sich die Werftanlagen und Güterhäfen am Ufer entlang. Hier begann die Solidarnoscbewegung unter Lech Walensa ihren Siegeszug und beeinflusste damit auch die politische Entwicklung in Deutschland. Ausflugsschiffen und Riesenpötten Raum gebend,  erreichten wir nach einer Stunde die Zielmarina gegenüber dem Krantor in der Altstadt Danzigs. Der tolle Ausblick vom Steg und der gute Service entschädigten für den Baulärm (Gerüstabbau bei einem Hotelneubau) und den für polnische Verhältnisse teuren Platz. So richtig würdigen konnten wir die exklusive Lage aber erst nach einem Bummel durch die wunderschöne Innenstadt von Gdansk. Obwohl sie , ähnlich wie Dresden, fast völlig zerstört wurde, fühlte man sich auf Anhieb wohl- farblich und architektonisch abwechslungsreich gestaltete Häuser im Stile der Hansezeit, buntes Straßenleben, eindrucksvolle Kirchenbauten, Glockenspiel im Rathausturm und Markthalle- bei jedem Gang entdeckten wir etwas Neues. Leider war unsere Zeit auch in Gdansk begrenzt. Der lange Schlag in Richtung Kaliningrad/ Russland stand uns bevor und dafür brauchten wir ideale Wind- und Wetterbedingungen. Dazu musste noch die Zeit für eine zweimalige Zollabfertigung (Polen/EU ausklarieren, Baltisk/Russland einklarieren eingeplant werden. Die Altstadtmarina lag dafür denkbar ungünstig. Nach einem Hinweis Olafs von der „Aphrodite“ setzten wir deshalb 10 sm unter Segeln in den Yachtclub „Neptun“ um, da er in unmittelbarer Nähe der Zollabfertigung lag. Am zeitigen Nachmittag erreichten wir den idyllisch gelegenen Hafen, begrüßt durch einen sehr netten, sogar ein wenig deutsch sprechenden Hafenmeister. Letzterer half uns auch bei der Anmeldung beim polnischen Zoll, den wir Donnerstag früh 5 Uhr und damit 2 Stunden vor eigentlicher Öffnung aufsuchen wollten. Alles war also geklärt- die Reise nach Russland konnte (wenn auch mit ein wenig höherem Puls) beginnen…
"Ich kann den Wind schon hören...oder den Tanker?"




Altstadtblick Gdansk
Ausblick auf den Strand von Hel

Denkmal Westerplatte

Die KETO vor der Brücke in Gdansk

Mittwoch, 15. Mai 2019

Sandstrand ohne Ende (9.5.- 15.5.19)




Auch wenn der Eine oder Andere uns schon zum bisher tollen Wetter beglückwünschte, Regentage gibt es schon auch. Leider erwischte es uns gleich am Ankunftstag in Kolberg und so war der erste Eindruck der Innenstadt, na ja nennen wir es mal „trist“. Als einen Tag später die Sonne wieder lachte, sah die Stadt schon ganz anders aus. Sandstrand mit Seebrücke, Flaniermeile mit Touristenkitsch, aber auch Künstlern, Leuchtturm, moderne Kurhotelanlagen, Parks. Jetzt war es nachzuvollziehen, warum so viele Senioren die Stadt zum „Kuren“ bevölkerten. Als wir dann auch noch die Fischhändler hinter der Marina fanden und uns für wenig Geld eindeckten, gefiel es uns in Kolberg richtig gut. J

Die 32 sm nach Darlowo flogen wir bei gutem Wetter nur so dahin. Der erstmals eingesetzte Spinnaker (Leichtwindsegel für Raum- und Vorwindkurs) tat dazu sein Übriges. Bei der Hafeneinfahrt beutelte es uns bei auflandigem Wind und heftiger Welle tüchtig, da der Fluss, der an dieser Stelle in die Ostsee mündet, einen Gegenstrom von bis zu 3 kt erzeugte. Hatte man die aber hinter sich, fuhr man ganz relaxed in ruhigem Fahrwasser einen Kanal durch den Ort bis zur Marina. Hier empfing uns der Hafenmeister persönlich und nahm die Leinen entgegen. Auf dem schnell studierten Stadtplan war zu erkennen, dass z.B. ein Geldautomat auf der anderen Kanalseite zu finden ist und eine Brücke beide Kanalseiten verbindet. Das kam uns absolut spanisch vor, hatten wir doch Minuten zuvor ungehindert eben diesen durchfahren?! Ein Spaziergang brachte dann Klarheit in die Angelegenheit: Ja, es gab eine Brücke, welche sich jede volle Stunde für 15 Minuten öffnete. Wir durchquerten sie also in genau einem solchen Zeitfenster und bemerkten es vor lauter Aufregung nicht mal! Auch der Strand in Darlowo gefiel uns Dreien ausnehmend gut. Vor allem Paule hatte richtig Spaß im flachen Wasser. Für den nächsten Tag war wieder ordentlich Wind und Welle aus Westen angesagt. Da wir gehört hatten, dass im rund 18sm entfernten und eigentlich geplanten Hafen Ustka ein unangenehmer Schwell steht, wollte Carsten gleich bis nach Leba durchziehen- 52 sm, ca. 10 Stunden. An solch langen Touren haben Paule und ich meistens nicht viel Spaß, aber die Logik, sich eine durchwachte wackelige Übernachtung zu sparen, sprach für sich. So hieß es früh aufstehen, um die Brückenöffnung um 7 nicht zu verpassen. Ohne Frühstück ging es also pünktlich los und nach dem Überwinden der Zone der brechenden Meterwellen in der Ausfahrt zur offenen See (wie Rodeo reiten- ein buckelndes Auf- und Ab) ging es zügig gen Osten voran. Irgendwann kam Hunger auf und natürlich ist es meine Aufgabe, unter Deck etwas Essbares zu beschaffen. Da die KETO unangenehm rollte und mir ganz komisch wurde, mussten ein paar Möhren genügen. Trotzdem ich 5 Minuten später wieder an Deck war, hatte ich nichts von ihnen und opferte sie postwendend den Fischen. Auch der nach 2 Stunden gesetzte Gennaker brachte keine ruhigere Fahrt und so blieb es eine Unmöglichkeit unter Deck zu gehen. So bekamen wir auch nicht mit, dass Paule, bisher ruhig in der Hundekoje schlafend, ein Problem hatte. Wahrscheinlich hatte er am Tag zuvor wieder mal was Falsches am Wegesrand gefressen und bekam nun Durchfall. Nie würde er aber in seinem „Haus“ sein „Geschäft“ verrichten, da machte auch diese Notsituation keine Ausnahme. Panisch die Augen verdrehend und jammernd stand er am Niedergang. Wir holten ihn nach oben und versuchten ihn zu überzeugen, den Boden der Pflicht als Toilette zu akzeptieren- keine Chance. Er versuchte immer wieder das Boot zu verlassen und wir mussten uns zu Zweit dagegen stemmen. Das alles bei kabbeliger See und eigentlich nötiger Konzentration Carstens für das Steuern unter Segeln! Die Natur forderte dann doch explosiv ihr Recht ein, Paule ging es gleich wieder gut und wir beseitigten mit 7 Eimern Seewasser die Bescherung. Dies sollte nicht die einzige kuriose Situation der Fahrt bleiben. In der nach 10 Stunden endlich erreichten Hafeneinfahrt von Leba machten uns polnische Angler laut rufend auf eine im Hafenbecken schwimmende Angel aufmerksam. Eine Ehrenrunde später fischte ich sie mit dem Bootshaken an Bord, holte gefühlt 100m Schnur ein und versuchte dabei, die 7 Angelhaken (Paternoster) von Segeln und Kleidung fernzuhalten. Wenigstens war kein Fisch dran! Nach erfolgreicher Übergabe des Gerätes auf der Kaimauer fuhren wir in die hübsche Marina Leba ein und beendeten den Tag mit Bratkartoffeln und Flundern. Den nächsten Tag bestimmten wir als „Wandertag“, fehlte uns doch allen mittlerweile ein wenig  die Bewegung. In ca. 9 km Entfernung waren im Slowinzischen Nationalpark riesige Wanderdünen zu besichtigen und zu besteigen, also ein lohnenswertes Ziel. Durch malerische Kiefernwälder ging es hinter dem Deich gut voran, bis ein Maschendrahtzaun unseren Elan stoppte. Vergeblich suchten wir nach einem Tor. So setzten wir den Weg nach kurzer „Krabbeleinlage“ (30cm Bodenfreiheit) fort und erreichten bald die wirklich beeindruckende „Sahara Pommerns“, kämpften uns über lockeren Sand ungefähr 30m nach oben und genossen die geniale Aussicht auf Lebasee und Ostsee. Viele Fotos später ging es nach kurzer Mittagspause (lecker Piroggi) zurück zum Boot. Die Prognosen der Wetterdienste zeigten Erschreckendes: viel Wind und hohe Wellen aus Osten- eine Weiterfahrt ist so also erst einmal nicht möglich. Jetzt heißt es geduldig zu sein und auf Besserung zu hoffen- aber es gibt wahrlich schlimmere Orte für „Zwangsurlaub“…
Spinnakerfahrt


Blick von der Fußgängerbrücke Darlowo


Lebasee

Sanddünen

Donnerstag, 9. Mai 2019

Über das Stettiner Haff nach Polen (5.5.-9.5.19)




Am 6. Mai erreichten wir, nach Schweden, Dänemark (Bornholm) und Finnland im letzten Jahr, den incl. Deutschland, fünften Anrainerstaat der Ostsee. Nachdem wir am Tag zuvor im Stadthafen von Ueckermünde einen gemütlichen Nachmittag und Abend verbrachten (Stachelbeertorte!), ging es bei gutem Vorwind unter voller Besegelung über das Stettiner Haff. Trotz Kreuzens war die Einfahrt in den Kanal nach Swinemünde nach drei Stunden erreicht und unter Beachtung und Umfahrung der vielen Stellnetze und Reusen davor und gut durchnässt vom plötzlich einsetzenden Regen, ging es noch ca. eine Stunde unter Motor und Segel weiter. Fühlten wir uns auf den ersten Kilometern wie zu Besuch im Nationalpark- Fischreiher sowie viele Singvögel zeigten sich und begrüßten das Ende des Regenschauers- wurde es bald immer „städtischer“.

Werftanlagen, Fähranleger für die richtig großen Schiffe (mit der gesehenen „Peter Pan“ sind wir selbst schon von Rostock nach Trelleborg unterwegs gewesen) und Neubausiedlungen säumten unseren Weg.
In der Marina Swinemünde war, der Vorsaison geschuldet, noch viel Platz zum Aussuchen. Anfangs irritierte uns die moderne Technik ein wenig, denn alle bezahlten Leistungen wurden auf einer Chipkarte gespeichert. Mit dieser konnte man z.B. seinen verschlossenen Steg betreten, Elektrizität oder Wasser zapfen, die Toilette betreten oder die Dusche auslösen. Hier scheint einiges an EU-Geldern in den Landstrich und seine Infrastruktur geflossen zu sein. Auch im nächsten Ort (Dziwnow)  bestätigte sich dies. Das Zentrum der Stadt Swinemünde erkundeten wir bei Regen, fanden keinen Segelladen, aber aßen unser erstes Eis. Durch den Kurpark ging es dann zurück zum Boot- so hatte auch Paule etwas von dem Ausflug.
 Die Fahrt nach Dziwnow war geprägt durch drehende Winde aus westlichen Richtungen. Eigentlich also für uns ideal, geht’s doch Richtung Osten. Aber irgendwie funktionierte diese Theorie in der Praxis überhaupt nicht. Entweder kamen die Wellen so ungünstig, dass sie das Heck versetzten oder der Wind drehte aus der Wellenrichtung heraus und ein Halsen war nötig, um die Fahrtrichtung zu halten. Dabei durften wir einen Fahrstreifen zwischen einem Schießgebiet (seewärts) und einem Naturschutzgebiet (Küstennah) nicht verlassen. So ging es mehr schlecht als recht(„fluchend“) voran und wir waren froh, als wir nach 4,5 Stunden die 19 Seemeilen geschafft hatten. Dass dabei die ganze Zeit die Sonne lachte und sich die Luft fast warm anfühlte, war auch kein wirklicher Trost. Carsten hatte gelesen, dass eine Seite des Fischereihafens zum Anlegen genutzt werden dürfte, also probierten wir dies aus. Ziemlich unfreundlich schickte uns der Hafenmeister weiter- die nahe Marina sei der richtige Platz für uns. Nach fünf Segeltagen in Folge hatten wir uns einen reinen „Urlaubstag“ redlich verdient und so bezahlten wir gleich für zwei Tage Hafengebühr (rund 12 Euro pro Tag). Was für eine gute Entscheidung. Dziwnow überzeugte mit menschenleeren, malerischen Sandstränden, sehr guten Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten und alles bei sehr angenehmen Temperaturen und Sonne satt. Unsere Spaziergänge am langen Strand genoss jeder auf seine Weise: ich fotografierte und sammelte Steine, Carsten und Paule tobten über Sand und durchs Wasser (also letzteres nur Paule ;), das Wasser ist doch noch sehr kalt!). 
 

Aber es muss weiter gehen. Trotz trübgrauem Regentag, aber eben auch gutem Wind ging es heute früh mit rasantem Am-Wind-Kurs nach Kolberg. Die 33 sm schafften wir in 6 Stunden. Mal schauen was uns hier erwartet…