Freitag, 31. Mai 2019

Wetter und andere Kapriolen (14.5.- 22.5.19)


Obwohl wir uns auf ruhige Tage in Leba eingerichtet hatten, konnten wir uns nicht über Langeweile beklagen. Zum einen erwachte die an und für sich nette Marina aus dem Winterschlaf- rings herum wurde geräumt, gemalert , gepflanzt und gesperrt. So zum Beispiel die Sanitäranlagen der Männer und einen Tag später dann die der Frauen – unlustig. Noch weniger spaßig war das Absperren des Elektrokastens incl. unseres Stromkabels am Abreisetag (Startzeit 7 Uhr). Wegen Prellens der Marinakosten erklärte unwirsch der eilig herbeigerufene Hafenmeister. Erst ein Vorzeigen aller 6 Quittungen überzeugte ihn von seinem Irrtum. Manchmal lohnt sich doch Dinge aufzuheben…J Zum anderen erlebten wir ein Stückchen mit, wie schnell sich beim Segeln Situationen ändern können. Gerade noch sitzt man mit „Nachbars“ von der „Aphrodite“ und der „Element“ abends bei einem Schluck Wein zusammen, klönt über Erlebnisse und die von allen geplante Ostseerunde und am Nachmittag des nächsten Tages werden letztgenannte durch den Seenotdienst (SAR) sechs Seemeilen vor Leba wegen Ruderverlustes „eingesammelt“ und spektakulär zurück in den Hafen geschleppt- noch viel unlustiger! Auch das junge Paar neben uns, welches am Morgen direkt nach Klaipeda/ Littauen, segeln wollte, musste wegen Batterieausfalls  im Hafen bleiben- der Motor sprang gar nicht erst an. Da konnten wir froh sein, dass bei uns alles klappte. Pünktlich ging es los, zumindest bis in die Hafenausfahrt. Dort rumste es mächtig und wir saßen auf einer Sandbank, welche sicher durch den Sturm der letzten Tage entstanden war. Schnell gelang es Carsten die KETO loszueisen, aber einen mächtigen Schreck bekamen wir doch. Der Wind schien sich ausgetobt zu haben, wir dümpelten nur so dahin und entschieden uns weiter unter Motor zu fahren- 34 sm, rund 7 Stunden. Der Dunst an der Küste wurde immer dichter, bald bewegten wir uns im dicken Nebel vorwärts. Wenn dann plötzlich, wie aus dem Nichts, eine große Boje neben dem Boot auftaucht, die im Plotter gar nicht zu finden ist, erhöht das die Spannung ungemein! Spannend fand ich auch den erstmalig durch uns eingesetzten Funk. Laut Hafenhandbuch machte es Sinn, sich beim Hafenmeister in Wladislawowo anzumelden, um keinem ein- oder auslaufenden Fischkutter in die Quere zu kommen. Auf Englisch bat ich also um die Erlaubnis zur Einfahrt und bekam sie tatsächlich umgehend. Hoffentlich klappt das in Russland, wo genau dies dringend nötig ist und erwartet wird, auch so gut! Der Ort Wladislawowo ist keine Reise wert. Der größte Fischereihafen Polens, mit einem Holzsteg für Segelyachten, ist umgeben von Neubausiedlungen und einem kleinen Vergnügungspark- nichts dabei, was uns zum Bleiben einladen würde. So ging es schon am nächsten Morgen weiter nach Hel. Nur teilweise unter Segeln bewältigten wir die 22 sm in gemütlichen 5 Stunden. Hier gefiel es uns so viel besser, dass wir überlegten, sogar noch einen weiteren Tag zu bleiben. Aber der Wind sollte am nächsten Tag ideal für eine Überfahrt nach Gdansk sein, sodass der Wunsch zurückgestellt wurde. Noch am Nachmittag erkundeten wir den kleinen Ort an der Spitze der gleichnamigen Halbinsel, der vor allem wegen seiner tollen Strände sehr beliebt ist. Wir bummelten durch eine schöne Fußgängerzone mit reichhaltigem Gastronomieangebot, fanden eine Robbenauffangstation, die wir leider wegen Paule nicht besuchen konnten, lasen in einer Fotodokumentationsstrecke über einen gestrandeten Wal und bewunderten eine Skulptur eines ebensolchen aus Plastikflaschen. Das futuristischste Bauwerk des Hafens stellte sich bei näherer Betrachtung als unser Sanitärgebäude heraus, welches in der Vorsaison sagenumwobene drei Stunden (17-20 Uhr) geöffnet hatte. An einer Rezeption im Erdgeschoss bezahlte man umgerechnet 2 € und konnte dann im 1. Stock die doch etwas enttäuschenden Duschen nutzen. An diesem Abend war ich, glaube ich,  der einzige Besucher… Am nächsten Morgen stand der Wind tatsächlich gut und so segelten wir über die Danziger Bucht. Die letzten 5 sm muss man allerdings einen Kanal in Richtung Innenstadt motoren. Gleich nach der Einfahrt in diesen überragt das Denkmal der Westerplatte die Umgebung. Sich bewusst machend, dass hier mit einem Schuss eines deutschen Kriegsschiffes auf die polnische Garnison der 2. Weltkrieg begann, mit all seinem Leid für viele Völker der Welt, fuhren wir nachdenklich und bewegt weiter. Scheinbar endlos zogen sich die Werftanlagen und Güterhäfen am Ufer entlang. Hier begann die Solidarnoscbewegung unter Lech Walensa ihren Siegeszug und beeinflusste damit auch die politische Entwicklung in Deutschland. Ausflugsschiffen und Riesenpötten Raum gebend,  erreichten wir nach einer Stunde die Zielmarina gegenüber dem Krantor in der Altstadt Danzigs. Der tolle Ausblick vom Steg und der gute Service entschädigten für den Baulärm (Gerüstabbau bei einem Hotelneubau) und den für polnische Verhältnisse teuren Platz. So richtig würdigen konnten wir die exklusive Lage aber erst nach einem Bummel durch die wunderschöne Innenstadt von Gdansk. Obwohl sie , ähnlich wie Dresden, fast völlig zerstört wurde, fühlte man sich auf Anhieb wohl- farblich und architektonisch abwechslungsreich gestaltete Häuser im Stile der Hansezeit, buntes Straßenleben, eindrucksvolle Kirchenbauten, Glockenspiel im Rathausturm und Markthalle- bei jedem Gang entdeckten wir etwas Neues. Leider war unsere Zeit auch in Gdansk begrenzt. Der lange Schlag in Richtung Kaliningrad/ Russland stand uns bevor und dafür brauchten wir ideale Wind- und Wetterbedingungen. Dazu musste noch die Zeit für eine zweimalige Zollabfertigung (Polen/EU ausklarieren, Baltisk/Russland einklarieren eingeplant werden. Die Altstadtmarina lag dafür denkbar ungünstig. Nach einem Hinweis Olafs von der „Aphrodite“ setzten wir deshalb 10 sm unter Segeln in den Yachtclub „Neptun“ um, da er in unmittelbarer Nähe der Zollabfertigung lag. Am zeitigen Nachmittag erreichten wir den idyllisch gelegenen Hafen, begrüßt durch einen sehr netten, sogar ein wenig deutsch sprechenden Hafenmeister. Letzterer half uns auch bei der Anmeldung beim polnischen Zoll, den wir Donnerstag früh 5 Uhr und damit 2 Stunden vor eigentlicher Öffnung aufsuchen wollten. Alles war also geklärt- die Reise nach Russland konnte (wenn auch mit ein wenig höherem Puls) beginnen…
"Ich kann den Wind schon hören...oder den Tanker?"




Altstadtblick Gdansk
Ausblick auf den Strand von Hel

Denkmal Westerplatte

Die KETO vor der Brücke in Gdansk

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