Da wir Riga, die Hauptstadt
Lettlands, auf Grund des Windes vorab ausgelassen hatten, ging es von Ruhnu das
erste Mal in südliche Richtung weiter und dies gleich lange 60sm. Tatsächlich
schien der Wind sich auf unsere Pläne einzulassen und wir segelten bei
wechselhaften Wetterverhältnissen fast vollständig unter Windsteueranlage mit
ungefähr 6 Knoten Geschwindigkeit. Da Carsten somit nicht am Ruder stehen
brauchte, konnte er seine Kräfte fürs mehrmals nötige Reffen und Ausreffen
einsetzen, wäre ja sonst auch langweilig geworden. Nur die letzten 7sm
Flussfahrt (Daugava) unter Motor bis zum Stadthafen Riga zogen sich gefühlt ewig hin. Obwohl dieser
mit seiner Lage dicht an der Altstadt sicher der unruhigste Standplatz ist,
wählten wir ihn, um auch mal ohne Paule ein paar Schritte gehen zu können. Nur
fünf Gastboote lagen vor Ort und kein Hafenmeister zu finden. Zum Glück war ein
freundlicher Pole des Englischen mächtig und so fanden wir mit seiner Hilfe
zumindest Toilette und Dusche. „Hinter dem Restaurant einen schmalen, grünen
Gang entlang aber vor der Küche rechts!“ Der Hafenmeister flog abends dann per
Boot doch noch ein (= fliegender Hafenmeister; er betreut zwei Marinas) und
kassierte 25€/ Nacht. Na ja, der Preis war zwar der größten Stadt des Baltikums
(650000Ew.) angemessen, nicht aber dem vorhandenen Service. Die polnische
Jugend auf dem Boot neben uns nutzte die
fehlende Kontrolle gleich weidlich aus. Nach reichlich Alkohol versuchten sie
sich 1.30 Uhr lautstark auf einen Liedtext zur Gitarre zu einigen, was aber hörbar misslang. Die schnell herbei
gesuchten Gehörschutzstöpsel linderten unsere Qual vielleicht ein wenig, gegen
die innere Wut halfen sie allerdings nicht.
Am nächsten
Tag stürzten wir uns unausgeschlafen ins Stadtgetümmel. Mich interessierte vor
allem das alte Riga, dessen Anfänge auf das 13. Jh. zurückgehen. Viele Gebäude
blieben trotz zweier Weltkriege erhalten oder wurden detailgetreu wieder
aufgebaut. Zu Beginn war von „Getümmel“ nichts zu spüren, liefen wir doch lange
im Grünen, d.h. am Stadtkanal entlang, welcher die historische Altstadt fast
umschließt. Zwischen alten Bäumen, Skulpturen, Springbrunnen ging es über
verzweigte Wege in „Pauletempo“ Richtung Zentrum. Bei um die 30°C konnten wir
ihn natürlich nicht auf dem Boot lassen. Dort war hinter jeder Ecke ein anderes
schmuckes Gebäude zu entdecken- Jakobskathedrale, Dom, Rathausplatz mit
Schwarzhäupterhaus, Livenplatz mit Gildenhäusern und Katzenhaus, Petrikirche
(von deren Turm man einen tollen Blick über die Altstadt hat), Jugendstilhäuser
und überall Restaurants und Straßencafés und Kneipen…Besonders hatte es uns
aber die Vielfalt des Zentralmarktes (rund 72000m², 5 Hallen plus Außengelände)
angetan- liefen wir am ersten Tag noch staunend durch die schier unendlichen
Gänge, ergänzten wir einen Tag später unsere Vorräte an Fisch, Obst und Gemüse
sowie frischem Brot dort. Als Carsten am Ende des 2. Tages bemerkte: „Wenn wir
noch einen Tag durch die Stadt tigern, kann ich hier Stadtführer werden…!“, war
klar, dass es bald weitergehen muss. Martin, unser fliegender Hafenmeister,
kündigte für das bevorstehende Wochenende auch gleich noch „wahrscheinliche
Lärmbelästigung“ an und so fiel uns der Abschied noch leichter. Dazu hatten wir
die Hoffnung, mal einen Hafen mit Bademöglichkeit zu finden. Da es eine sehr
überschaubare Anzahl von Häfen im Osten der Rigaer Bucht gibt, wählten wir den
in kürzester Entfernung (27sm)- Skulte. Sprach unser älteres Hafenhandbuch von
einem Steg ohne Serviceeinrichtungen aber geplantem Neubau, wies eine
Karte/Prospekt den Hafen mit 50 Liegeplätzen und (außer Duschen?!) vollem
Service aus. Auf letztere Aussagen vertrauend ging es nach der Passage der Daugava,
unter Segel bei mäßigem Wind und zunehmendem Dunst, voran. Zum Glück sahen wir
gerade noch rechtzeitig die rechts und links des Fahrwassers markierten
Schwimmnetze der Fischer und kurvten fluchend herum. In diesem Teil der Ostsee
sollte man echt keine Abkürzungen versuchen. Die Hafeneinfahrt Skulte war gut
zu erkennen. Weitsichtbare Holz- und Holzspanberge flankierten gelbleuchtend
die Einfahrt beidseitig. Gespannt folgten wir dem Flusslauf der Age und fanden…
nichts. Ganz am Ende, kurz bevor das immer schmaler werdende Flüsschen um eine
letzte Biegung verschwand, erblickten wir einen Holzsteg vor einer Werft, an
welchem 5 Boote vertäut lagen. Sollte dies die 50-Platz-Marina sein?! Irgendwie
eine 0 zu viel! Etwas irritiert machten wir am letzten freien Liegeplatz fest.
Es stellte sich schnell heraus, dass tatsächlich nichts vorhanden war, kein
Wasser, keine Toilette, selbst der Stromkasten stand viel weiter weg, als unser
Kabel lang war. Was nun? In keiner Richtung gab es einen nahen Ausweichhafen,
also hieß es, sich unter „Ankerbedingungen“ einzurichten- kostenfrei mit dem
Luxus des Landzuganges. Wir schnappten uns Paule und wollten wenigstens einen
Blick auf das „…idyllische Dorf mit hübschen Sommerhäusern inmitten großer
Gärten…“(Küstenhandbuch Baltikum) werfen. Aber egal in welche Richtung wir das
weitläufige und durchaus grüne Firmengelände auch verlassen wollten, immer
scheiterten wir an verschlossenen Toren! Na gut, eins war offen. Aber das große
Vorhängeschloss konnte man nicht übersehen und der Fischer, der gerade auf
diesem Weg gekommen war, wollte vielleicht bald wieder hinaus. Die Gefahr
bestand also, dass wir nach Verlassen des Geländes ausgesperrt wären! Dieses
Risiko scheuend verblieben wir also „völlig freiwillig“ und frustriert
innerhalb des Zaunes und ließen das Dorf links liegen. Am Abend stellte sich
dann tatsächlich doch noch die versprochene idyllische Atmosphäre ein. Kein
Zivilisationsgeräusch, nur Vogelgezwitscher und Möwengezänk waren zu hören,
kein Mensch zu sehen und die Bootsausrichtung mit Blick ins Grüne verleiteten
Carsten dazu, die bisher ungenutzte Angel hervorzuholen. Und nicht einmal der
fehlende Angelerfolg konnte uns noch schockieren…Vor allem Paule wollten wir
aber natürlich nicht weiter diesen „Käfigbedingungen“ aussetzen und so ging es
am nächsten Morgen gleich weiter nach Salagriva/ Kuivizi. Auch hier wies unser
neues Prospekt 35 Liegeplätze bei vollem Service aus, die sollten in der
Vorsaison genügen. So einen Reinfall erlebt man sicher nicht zweimal. Man soll
niemals „nie“ sagen! Auch in Kuivizi folgten wir dem Flusslauf, bogen rechter
Hand zur vermeintlichen Marina ab und…fanden diesmal nicht einmal den einen
freien Platz. Allerdings gab es auch längst nicht 35 davon, sondern höchstens
10 und die waren von Einheimischen belegt. Ein alter Mann rief uns vom
gegenüberliegenden Ufer auf Deutsch zu, wir könnten dort an einem Schwimmponton
(Arbeitsplattform) festmachen, das sei sicher ok. Gesagt- getan. Da wir keine
Lust auf Experimente hatten folgten wir seinem Vorschlag. Im nahen Hotel
mussten wir dafür tatsächlich später auch noch 22€ Liegegebühr bezahlen! Im
Gespräch hinterfragten wir die Unstimmigkeiten des Prospektes natürlich. Er
lächelte nur und erwiderte: „So ist Lettland. In Estland wird es wieder
besser!“. Na dann, schauen wir mal…
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In der Fischhalle |
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Riga- Sonnenuntergang im Stadthafen |
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Skulte - Werftsteg... |
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...mit Blick ins Grüne |
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Kuivizi- exklusiver Landeplatz |
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Strand Kuivizi- Paule ist selig... |
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