…aber plötzlich stand, gegen 14.00 Uhr und kurz vor dem
Ziel, eine verrückte Idee im Raum: Warum
wollen wir nicht gleich bis Ystad durchfahren?! Für die nächsten Tage waren
erneut Herbststürme angesagt, eine Weiterfahrt zum letzten schwedischen Hafen
vor der Überfahrt erst ab evtl. Donnerstag möglich. Dagegen standen allerdings
die noch einmal 27 Seemeilen (5 Stunden) und, damit verbunden, das eventuelle
Nichterreichen des Zielhafens vor Einbruch der Dunkelheit. Aber auch der Wind
sollte zum Nachmittag auffrischen und (natürlich!) nicht gerade aus idealer
Richtung für uns kommen…Wir brauchten trotzdem nicht lange für unsere
Entscheidung. Der Vorteil, vielleicht
doch einen stressfreien Tag für die lange Überfahrt zu erwischen, überwog und
so ging die Fahrt weiter. Erstaunlicherweise hielt sich der Wind diesmal genau
an das, was versprochen war: er wurde stärker. So konnten wir nach Süden, bis
zum Kap Sandhammaren, mit dem Vorsegel und mit über 6 Knoten Geschwindigkeit
segeln. Dann allerdings ging es in Richtung Westen weiter und nun wurde es schauklig
und nervig, da die Wellen höher wurden
und kein Segeln (Windrichtung!) mehr möglich war. Der Motor musste
Schwerstarbeit gegen die Welle verrichten, fuhren wir doch mit dem Druck,
rechtzeitig vor Ystad sein zu müssen. Der Plotter zeigte als vermeintliche
Ankunftszeit noch immer 19 Uhr an (kurz
nach Sonnenuntergang), es wurde zum Nachmittag deutlich kälter und ich zog mich
mit Paule unter Deck zurück. Carsten hielt draußen die Stellung – wir hatten scheinbar alles
richtig gemacht…Fünf Seemeilen vor Ystad, die Lichter der Stadt waren schon zu
sehen, stürzte Carsten plötzlich zum Motor: „Was ist denn jetzt los?!“, rief er
immer wieder hektisch- der Motor verweigerte plötzlich die volle Leistung und ließ sich auch zu nichts anderem bewegen.
Ohne Motor, bei diesen Wetterbedingungen, wären wir aufgeschmissen, wäre eine
Einfahrt in den Hafen riskant oder gar nicht möglich! Die Situation wurde immer
angespannter. Fast gleichzeitig setzte Carsten das Vorsegel, um manövrierfähig zu bleiben, probierte den
Motor wenigstens am Laufen zu halten und gab mir Aufgaben für den Ernstfall: regionale
Seenotdienstrufnummer heraussuchen, AIS und Funkgerät anschalten, Strahler/
Kopflampen für die Dunkelheit bereitlegen,…, Ruhe bewahren. Ein dramatischer
Sonnenuntergang gab dieser wirklich heiklen Situation mit ungewissem Ausgang
einen würdigen Rahmen, aber zum Fotografieren hatte ich erstmals ernsthaft keine
Lust. Carstens Gesicht beobachtend um die Ernsthaftigkeit der Lage einschätzen
zu können, hockte ich wie ein Häufchen Unglück in der Pflicht, das
Notfalltelefon in der Tasche griffbereit. Die einzig mögliche Variante war, die
verbleibende Strecke zu segeln. Das hieß, da der Wind von vorn kam, zu kreuzen
(im Zick- Zack- Kurs vorwärts bewegen). Es schien tatsächlich zu funktionieren,
als eine neue Gefahr auftauchte. Die
Einfahrt des Yachthafens lag hinter der des Handels- und Fährhafens Ystads und
natürlich, im AIS deutlich zu erkennen, wollten genau in diesem Moment eine
polnische Fähre mit 13 Knoten Geschwindigkeit einfahren und eine schwedische
ausfahren. Inzwischen war es 20 Uhr und dunkel. Nur über den Plotter erhielten
wir die notwendigen Informationen für die Einfahrt. Carsten stoppte die KETO ab,
ließ die beiden Großschiffe passieren und mit einem letzten Kreuzschlag ging es
ins Finale: der Hafeneinfahrt. Der Motor lief die ganze Zeit mit, auch wenn er
keine Leistung brachte. Für die eigentliche Einfahrt musste er aber wenigstens
ein bisschen Vortrieb erbringen, da nützte das Segel nichts mehr. Gemeinsam in
die Dunkelheit starrend und hoffend, dass genau dies gelingt, schlichen wir „um
die Ecke“, an Untiefen und Wellenbrechern vorbei, in das rettende Hafenbecken.
Mit dem Licht der Kopflampen gelang das Anlegen längsseits an der beleuchteten
Brücke ohne Probleme und 20.45 Uhr fielen wir uns erleichtert in die Arme-
geschafft! Lange kamen wir danach innerlich nicht zur Ruhe, trotz Hunderunde,
Essen und Schnaps diskutierten wir immer wieder die erlebte Situation. Erst
spät fielen wir in einen komaähnlichen Schlaf. Am Dienstag und in der Nacht zu
Mittwoch drehte der Wind, wie angesagt, so richtig auf. Über 40 Knoten im
Hafen, dazu peitschender Regen und „Flugsand“ vom nahen Strand boten einen
Härtetest für Boot und Mannschaft. In erster Linie musste trotzdem natürlich dringend
das Motorproblem geklärt werden, wollten wir ja in kurzer Zeit weiter über die
Ostsee. Verschiedene Aussagen ließen den Luft- oder den Kraftstofffilter als möglicherweise
„schuldige“ Bauteile erscheinen und so reinigte
bzw. wechselte Carsten diese aus. Beim Probelauf schnurrte der Motor wie
gewohnt und so bleibt uns die Hoffnung auf eine weniger aufregende Rückfahrt
nach Deutschland in absehbarer Zeit erhalten…
Ystad- Ansicht vom Boot |
Hafenplan |
Gerade noch Flaute... |
...uns schon brennt wieder die Luft! |
Na gut, ein Sonnenuntergangsfoto hab ich doch geschossen... |
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