Das Reisen
per Segelboot nach Russland ist eigentlich nur deswegen so schwierig, weil es
fast keine gesicherten offiziellen Informationen dazu gibt. In Internetforen
und über Mundpropaganda hörten und lasen wir viel, aber einen sicheren Plan
konnte man von den verschiedenen Angaben und Meinungen nicht ableiten, da jeder
etwas anderes behauptete oder die Aussagen älteren Datums waren. Erst in Kotka
(Stadt in Ostfinnland) entschieden wir uns („Element“ und „KETO“), nach logisch
klingenden Aussagen von russischen Seglern, auf der finnischen Schäre Santio
auszuklarieren, ca. 73sm nach Kronstadt (Fort Konstantin) zu segeln und dort in
Russland einzureisen. Dass man an beiden Zollstegen über Nacht bleiben kann,
wurde uns ebenso bestätigt. Nach einem Volltanken der Boote (Wasser+
Lebensmittel+ Diesel) ging es am 9.7. 26 sm durch die Schärenlandschaft nach
Santio. Gegen 17.30 Uhr erwarteten uns schon zwei freundliche Beamte am
Zollsteg, die eine kurze Einweisung gaben- nicht weiter als bis zur
Trockentoilette laufen (20m), auch die Hunderunde auf dieses Gebiet begrenzen,
Ausklarierung am nächsten Morgen um 8.00 Uhr- und per Schlauchboot rasend
schnell verschwanden. Bis hierher stimmte also unser Plan…Am Morgen des neuen
Tages waren sie tatsächlich pünktlich am Steg, sammelten Pässe und Kopien der
Papiere ein, schauten kurz durchs Boot und schon 9 Uhr ging es mit guten
Wünschen und um ein paar Süßigkeiten und Brillenputztücher reicher auf die
nächste Etappe.
Wind und Wetter meinten es lange Zeit gut mit uns, die Welle
war klein, die Temperaturen auszuhalten. Ungefähr die Hälfte der Strecke lag
hinter uns, als sich der Himmel am Horizont verdunkelte und der Wind deutlich
auffrischte. Bei Am-Wind-Kurs (Kurs mit größter Krängung) ca. 25° schief
liegend zogen plötzlich so ruppige böige Winde über uns hinweg, dass mir angst
und bange wurde. Zeitgleich musste exakt navigiert werden, da nur ein schmaler
Streifen zwischen gesperrten militärischem Übungsgebiet rechter Hand und dem
links liegenden flachen Ufer befahren werden konnte. Der Wind wurde immer
stärker, das Segel musste gerefft werden und Carsten dazu vor an den Mast.
Obwohl mir fast übel vor Angst war, blieb mir nichts anderes übrig, als
zitternd das Ruder zu übernehmen. Alles ging gut, nur die Wettersituation
verbesserte sich nicht. Mittlerweile war es Abend, die Temperaturen extrem
gesunken und die Zeit schien still zu stehen. Auch ein rechts neben uns
auftauchendes U-Boot mit Begleitschutz konnte die Stimmung nur kurz auflockern.
Jeglicher Funkversuch mit der russischen Coast Guard ging ins Leere und blieb
unbeantwortet, auf dem gut befahrenen Fahrweg aus Richtung Kronstadt wechselten
sich die Schiffstypen ab (Container- , Militär-, Fähr-, Kreuzfahrschiff) und
irgendwie zwischendurch mussten wir ins Hafenbecken schlüpfen. Dem Beispiel der
„Element“ folgend querten wir kurz nach einem hellbeleuchteten Kreuzfahrriesen
die Fahrrinne und segelten unbeeinträchtigt zwischen den Molenköpfen hindurch.
Geschafft!
Am Zollsteg wartete-23.30 Uhr!- ein total jung wirkender blau
Uniformierter und absolvierte mit uns zu
nächtlicher Stunde tatsächlich noch die Einreiseformalitäten, während Armgard
mit Paule alle erlaubten Stege und Wege ablief. Bis 10 Uhr am nächsten Morgen
dürften wir bleiben- zumindest verstanden wir seine russischen Aussagen so- und
wir freuten uns nach einer weiteren Stunde auf die verdiente Nachtruhe. Nach
einem guten Frühstück sollte es gegen 9.45 Uhr in Richtung St. Petersburg
gehen, Armgard und ich schickten Paule wohl zum 20. Mal den 50m langen Steg hin
und her, als plötzlich erneut ein Uniformträger (grün) auftauchte und die
Männer aufforderte, sie zu begleiten. Bald war auch klar warum: der Zoll begann
erst 10 Uhr seine Arbeit und die fällige Formular- und Kontrollrallye begann.
Das hatten wir aber am Abend zuvor ganz anders verstanden und uns schon über
die kurze und unkomplizierte Prozedur gefreut! Nur gut, dass wir noch nicht
abgelegt hatten, das wäre bös ins Auge gegangen. Bei einer unbefugten Einreise
nach Russland wären die Beamten sicher nicht mehr annähernd so freundlich und
kooperativ gewesen. In der Wartezeit kamen wir noch mit russischen Seglern, die
wie wir ihre Ausreiseformalitäten hinter sich brachten (Regatta in Tallin war
ihr Ziel), ins Gespräch und bekamen die letzte Bestätigung, welcher Hafen für
Ausländer in St. Petersburg anzulaufen ist. Kurz nach 11 hieß es dann „Leinen
los!“ und zwei Stunden später tauchte die Küste der Stadt vor uns auf…
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