Montag, 9. Dezember 2019

Keine Zeit für Eile (2) (31.7.- 4.8.)

 

 

Äggskär hieß unser nächstes Ziel (31.7.) und war wieder ein Naturhafen, inmitten dreier Inseln gelegen. Einen der sichtbaren Stege wählten wir aus und bewegten uns langsam und vorsichtig an die Mooringtonne heran. Das Anlegemanöver funktionierte, allerdings piepte plötzlich der Flachwasseralarm los. Ein Blick auf die Anzeige vermeldete 1,20m- bei einer Bootstiefe von 1,40m eigentlich unmöglich. Carsten tauchte vorsichtshalber zum Kiel hinab und stellte eine Bodenfreiheit von 20cm fest. Da war wohl bei der Einstellung sehr großzügig über den Daumen gepeilt worden…Paule nahm die Insel tobend in Besitz, wir später die superausgerüstete Grillhütte (diesmal war sogar ein Holzspalter vor Ort).




Obwohl Porvoo, die zweitälteste finnische Stadt, nicht gerade in den Außenschären, sondern weit nördlich auf dem Festland liegt, machten wir einen Abstecher dahin (1.8./2.8.). Oliver, der finnische Segler, welchen wir in Kotka trafen, lebt unweit dieser Stadt und Carsten verabredete ein Treffen mit ihm. In einem schmalen Tonnenstrich ging es vorbei an Schilfflächen und Sommerhäuschen den Fluss Porvoonjoki  mehrere Meilen ins Landesinnere. Eine Stunde nach Ankunft stand Oliver schon vor der KETO und bot uns an, erst einmal mit seinem Auto den sicher nötigen Einkauf zu erledigen. Dieses Angebot konnten wir nur dankend annehmen, da auch Getränke auf der Einkaufsliste standen. Nach einem gemeinsamen Käffchen und später einem schnellen Abendbrot waren wir wieder um viele hilfreiche Informationen reicher. Bei einem ausgedehnten Spaziergang bummelten wir am nächsten Tag durch die gepflegte und bunt leuchtende Holzhausaltstadt. Anders als letztes Jahr in Rauma, wo in der Altstadt vor allem tourismusorientierte Geschäfte und Gaststätten zu finden waren, hatten hier normale Wohnhäuser und Höfe die Überhand. Erst in den alten Speicherhäusern am Fluss lösten sich Minilädchen und Cafés ab.



Am Nachmittag fanden wir dann sogar einen Hundespielplatz für Paule, d.h. ein eingezäuntes Gelände, wo Hunde ohne Leine miteinander rennen und spielen konnten. Da wir, wegen Paule, auf einen Steg zum Anlegen angewiesen waren (das Beiboot begleitet uns unaufgepumpt auf dem Vorschiff…) und bis Helsinki diese Möglichkeit nicht häufig gegeben ist, beschlossen wir, noch einmal zur Inselgruppe Äggskär zu segeln. Diesmal sollte es einfach, wegen der Abwechslung, ein anderer Steg sein. Genauso passierte  es und nach fünfminütigem Runden drehen vor der Landestelle wurde sogar gerade eine Mooringtonne frei.  Noch ahnten wir nicht, was für ein besonderer Abend uns bevorstand. Erst einmal füllte sich der Steg mit immer mehr Booten. Am Ende des Abends quetschten sich ganze acht davon um den kleinen Steg mit vier Tonnen! Wie wir erfuhren, gehörten die meisten  zu einer Gruppe von Freunden, welche den 3. Hochzeitstag eines der Pärchen gemeinsam auf der Schäre feiern wollten. Schnell kam man ins Gespräch und eine Vorsegelreparatur plus alkoholisches Getränk später waren wir zur abendlichen Feier eingeladen. Dieser gestaltete sich bald, nicht nur kulinarisch, zu einem Höhepunkt unserer Reise. Über dem offenen Feuer gegarte Lammschulter, selbst gebackenes Brot und Salat leiteten den Abend ein. Dazu gab es reichlich „Flüssignahrung“ und bald unterhielten wir uns mehrsprachig über Lebenswege (z.B. eines deutschen Theaterpädagogen, welcher vor 15 Jahren nach Finnland auswanderte und jetzt hier an der Walddorfschule lehrt), Familiengeschichten, Arbeiten und Leben in Finnland und natürlich das Segeln. So, als ob man sich schon ewig kennen würde. Die Chemie stimmte von Anfang an, die Stimmung wurde ausgelassener und nach einem Ortswechsel beim Vorbereiten und Beobachten des folgenden Ganges (am offenen Feuer geräucherte, auf Holz genagelte Lachshälften- 3 Stunden!), wurde der Ruf nach Musik laut. Nachdem beim Gitarrenspieler die Wirkung des Alkoholes nicht mehr zu übersehen war, holte einer der Freunde eine ominöse Kiste von seinem Boot. Diese entpuppte sich als ein 80 Jahre altes Grammophon, welches, mit einer Bierdose als Standhilfe, einfach auf einen Felsen gestellt wurde. Bald tanzte man zu uralter finnischer Musik oder ebenso alten italienischen Opernarien und vergaß das Hier und Jetzt. Und Paule? Der hatte sich mittendrin im Gewühl, nach ausgiebigem Spiel mit den zur Gruppe gehörenden Hunden, einfach eine Kuhle gebuddelt und schlief den Schlaf der Erschöpften. Dieses irgendwie surreal anmutende Erlebnis, vor allem die Begegnung mit so fröhlichen und unkomplizierten Menschen auf einer kleinen Schäre Südfinnlands blieb noch lange Gesprächsstoff und stellte für mich einen würdigen emotionalen Abschluss meines Auszeitjahres dar. Am nächsten Morgen ging es für alle weiter. Für die Finnen war das Wochenende zu Ende und Arbeit und Familien warteten, für uns sollte es noch zu einem letzten Schärenhafen vor Helsinki weitergehen. Herzlichst verabschiedeten wir uns, tauschten Fotos und Videos der Nacht und schon ging es in alle Himmelsrichtungen davon.  


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