Mittwoch, 11. Dezember 2019

Alles hat ein Ende... (Carsten) (8.8. - 11.9.)


 

8.8. Helsinki-Bylandet

Nach einer unendlich langen Zeit der Gemeinsamkeit auf engstem Raum kam nun der Rückflug von Anke von Helsinki nach Dresden und damit für Paule und mich eine schlagartige Vergrößerung des Lebensraumes (ein Verlaufen im Boot war zum Glück eher unwahrscheinlich). Eine Umstellung war vor allem, von nun an für jeden Bereich allein verantwortlich zu sein, da jeder von uns seine Aufgaben hatte. Da ich von Paule keine seglerische Hilfe zu erwarten hatte, stellte ich mir von jetzt an mehrere Ausweichhäfen für den Notfall im Plotter ein. Das sollte mich im Laufe der Rückreise mehr als einmal retten.Los ging es erst gegen 12 Uhr, nach Paules Runde, Säubern des Bootes usw... Wenn kein Wind weht und der Plotter eine Ankunftszeit anzeigt, die erst am nächste Tag wäre, ist Segeln keine gute Idee und somit musste der Motor für eine Stunde helfen. Nur 2 Boote lagen am Ziel vor Ort, also an Mooringtonnen festgemacht-ein Traum. WC, Feuerschale und gehacktes Holz waren vorhanden, nur kein Hafenmeister für die Gebühr. Sofort wurde mir von einem finnischem Segler Hilfe für das Festmachen am Felsen angeboten, was ich aber dankend ablehnte. Das hatten wir bisher noch nie ausprobiert und ohne Brett für das „Entern“ des Felsens ist dies mit Paule auf der Schulter leider auch nicht machbar. Mooring bedeutete dann für mich aber auch, das Beiboot klar zu machen um für die Paulerunde an Land zu kommen. Somit gab es erst gegen 22 Uhr Essen in der Pflicht. 


9.8. Bagaskär

Nach dem langen Vorabend fiel das Aufstehen schwer.  Im klarem Wasser am Morgen zu schwimmen und dabei Paule zu überzeugen, doch lieber auf dem Boot zu bleiben, das belebt ungemein. Nach der Klärung einiger geschäftliche Aufgaben erfolgte der Start wieder erst gegen 12 Uhr. Kurz vor dem Ende, das Ziel in Sicht, zog eine Gewitterfront auf. Also: Zettel raus und den Tonnenstrich und Position schnell aufzeichnen, falls der Plotter ausfallen sollte. Mit gerefften Segeln, Vollgas gebend, um in die Abdeckung der Schären zu kommen, dabei aber kaum Sicht habend (durch die Wassermassen von oben), ging es über zum Plan B, in den nächsten Hafen. Auf dieser Insel befindet sich eine Ausbildungsstätte für die Wasserrettung und so konnte ich das Schwimmtraining mit Bergen über den Stegrand live verfolgen. Das Ausbildungsgebäude und die Unterkunft sind super verglaste Gebäude, für die Ausbildung wird hier wohl einiges investiert.


10.08. Hankoby

Ein früher Start um 6.45 und ein Motoren durch die wunderschöne Natur und Welt der Schären. Gerade dann, wenn der Tag beginnt und die Tierwelt erwacht, empfinde ich das, was ich gerade tu, als etwas Besonderes und bin dankbar, dies erleben zu können. Es fühlt sich an wie im Traum… Im Vorbeifahren werfe ich einen Blick auf die am Vortag nicht erreichte Schäre- Plan A-, einen malerisch gelegenen, geschützten Naturhafen…es sollte halt nicht sein, vielleicht beim nächsten Mal. Ein ständiges Kontrollieren der Position und Karte ist notwendig um die Übersicht zu behalten. Raus aus den Schären, Segel hoch und endlich wieder freie Fahrt. Kurz dachte ich, in einem Film als Nebendarsteller mitzuwirken, ein Speedrennen mit entsprechenden Schnellbooten und einem Heli fand in unmittelbarer Nähe statt. Es stellte sich später heraus, dass dies ein normales, jedes Jahr hier stattfindendes Rennen war. Kurz vor Hankoby kurz noch ein Zögern -weder in der Seekarte noch im Plotter war eine Tiefenangabe zu finden- da hieß es mit geringster Geschwindigkeit zum Hafen zu tuckern. Und auch hier erwartete mich ein freundliches Lächeln der Hafenmeisterin, die gleich mit Mann angereist war. Das Leben kann so einfach und trotzdem schön sein.

13.08. Borsto/ Utö

Warten auf den Wind aus der richtigen Richtung und Windstärken, wo Segeln angenehm ist, verzögerte das Weiterkommen. Über Borstö, einer Schäre, die zum Laufen und Verweilen einlädt, wo ein Haus per Kran versetzt wurde und deren Vergangenheit in den Hinterlassenschaften von Kanonenanlagen zu erkennen ist, ging es weiter nach Utö. Dies ist die südlichste Insel der Alands und mein Plan war, von hier aus gleich bis nach Gotland (Visby) weiterzukommen. Durch tagelangen Starkwind (7) fiel das Weiterfahren aus und die Paulerunden wurden größer. Einmal im Jahr findet hier eine Begehung des Leuchtturmes statt und ich war diesmal dabei. Zwischen lauter Finnen stand ein Deutscher- ich. Als Erster wurde aber ich in Englisch über alles Wissenswerte informiert. Dabei verstanden die Einheimischen das sicher viel besser als ich, eine komische Situation. Mir war es Recht, eben ein 1a Einzelunterricht. Nach 4 Tagen Wartepause auf besseres Wetter, ging es bei 27 kn Wind und Welle aus Süd weiter.


21.08. Überfahrt nach Schweden- Fejan

Nach einer ruppigen Überfahrt nach Schweden (71 nm) hatte ich mir den Hafen Fejan ausgesucht, Was ich vorfand war ein Steg, der wider Erwarten immer noch stand, nachdem ich festgemacht hatte. Vor Jahren gehörte er wohl zu einer Gaststätte. Seinem Zustand nach zu urteilen war das wohl eine Ewigkeit her. Dafür waren wir hier allein in Mitten einer Traumlandschaft. Storön (33nm), das folgende Ziel, kannte ich schon von 2018. Es folgte ein Hafentag mit beruflicher Arbeit. Nervende Zahnschmerzen stellten sich wieder ein, die mich schon seit Helsinki begleiteten. Das war das Letzte was ich brauchte und keine Tabletten oder Wodka in Sicht….


 24.08. Nynäshamn

Unter Segel durch die Schären- das habe ich mir 2018 noch nicht getraut- das hatte was. Das Ziel war Nynäshamn, 35 nm entfernt. Tanken, Fäkalientank leeren-das ist kostenfrei- und endlich Duschen: nach 12 Tagen lernt man kleine Dinge schätzen.


 24.-25.08.

Es folgten Arkösund (48 nm) und Västervik (54 nm). Endlich ein Hafentag, ein Morgen wie im Urlaub. Nach Einkauf der Schmerztabletten und Friseurbesuch konnte Paule wieder ausgiebig laufen. Der Ölwechsel war fällig und die schwedischen Segler gegenüber, die beiden hatten eben ihre Bavaria an der Westküste von Schweden gekauft und segelten nach N-O zurück, reichten mir den fehlenden Liter Öl, einfach so…Tack.


 



28.08. Västervik- Kalmar

Um ein Wetterfenster und die für mich richtige Position nutzen zu können, begann der Tag mit Aufstehen um 3 Uhr und anschließender Paulerunde. Gegen 4 Uhr dann Start mit Motoren durch die Finsternis nach Kalmar (73 nm). 2018 sind wir in Figeholm fast aufgefahren, deshalb wollte ich diese Route meiden. Unter Segel ging es fast bis Kalmar, am Ende musste der Motor doch ran. Keiner ist im Hafen, eine Stegauswahl vom Feinsten. Jetzt musste eine Flasche Rotwein als Dankeschön an die traumhafte Schärenwelt her.Am nächste Tag lernte ich Jan und Hella von der „Seven“ kennen und nach der Klärung von „woher“ und „wohin“, gab es dann die gemeinsamen Absprachen von „wohin“ und „wann“.


 30.8. Kalmar- Öland

Weiter ging es nach 27 nm in einen Hafen am Südzipfel Ölands. Ein wirklich herrlicher Segeltag mit der Windsteueranlage. Am Ziel wurde ich bereits von den Beiden erwartet. Teamarbeit beim Anlegen, alles entspannt trotz heftigen Windes. Paule sehnte sich nach Auslauf und so wurde die Umgebung erkundet. Auf dem ersten Blick war alles toll, doch die Gebäude und Werkhallen sahen von Nahem mehr als renovierungsbedürftig aus. Der Ortskern dagegen versprühte die Ruhe und Gelassenheit Schwedens. Es folgte ein herrlicher Nachmittag auf dem Kat der Segler Christian und Brigitte.

 31.8. Öland- Utklipan

Wer ist beim Segeln der Bestimmer? …. Der Wind. Somit ging es durch den bevorstehenden Wetterwechsel gleich weiter nach Utklipan, einer kleinen Insel im SW von Öland, mit folgender Einladung von Hella und Jan zum Abendbrot- lecker Fisch. Das Komfortangebot umfasst ein WC und Stromanschluss. Die Insel ist zweigeteilt und so kann ein Ruderboot zum Übersetzen zum Leuchtturm genutzt werden. Dafür war aber leider wieder keine Zeit, wie 2018 auf der Hinreise mit meinem Schwager Frank. Der Vorteil der Insel ist die Zufahrt: je nachdem wie die Welle steht, kann die entsprechende Einfahrt genutzt werden. Einfach eine Insel mit absoluter Ruhe. Ein Bleiben, Ausruhen und Genießen wäre wunderbar gewesen, die Wettervorhersage allerdings gruselig.


1.9. Utklipan- Hanö

Es sollte ein durchwachsener Tag werden, vom Supersegelwetter bis Blitz und Donner mittendrin- nicht lustig, das Rennen gegen kommendes Gewitter. Am Ende ist Hanö nach 31nm erreicht. Wenn die Sauna schon zu ist, hilft nur ein ausgiebiger Rundgang um die Insel. Bäume wie im Märchenland oder bei den Hobbits, Rehe in unmittelbarer Nähe. In der Vergangenheit waren wir schon öfter hier und doch ist es immer wieder etwas Besonderes. Der Ausblick über die Wasserfläche, die Felsen … Doch auch hier war ein Verbleiben nicht möglich, ich würde für mehrere Tage festsitzen.



2.9. Hanö- Allinge/ Bornholm

Der Wind meint es gut mit uns, Segel hoch und los, an Simrishamn/Schweden vorbei und mit dem ersten Reff bis zum Verkehrstrennungsgebiet. Es ist ein wunderbares Gefühl in die Nacht zu segeln, bei einem super Wind in einem Sonnenuntergang hinein. Leider verweigerte die GoPro ihren Dienst und so konnte ich nicht den sternenklaren Himmel mit den unzähligen Gestirnen filmen, es war einfach malerisch. Im Trennungsgebiet wurde es für mich sehr aufregend, es hieß auszureffen, um mehr Geschwindigkeit zu bekommen und den 4 Pötten von beiden Seiten zu entkommen. Die Angaben im Plotter und AIS sind das Eine, aber die gefühlte Entfernung oder das, was ich sehe, das Andere. AIS an, mit Lampe in das Segel leuchten und Gas geben.  Augen auf war angesagt…spannend. Kurz vor dem Hafen ein Richtfeuer beachten und vorsichtig in den Hafen abbiegen, wo schon Hella und Jan von der SY SEVEN warteten und polnische Segler auf meine Ankunft von 3.10 Uhr vorbereitet hatten. Es folgte eine schnelle Hilfe der Polen beim Verholen, damit ich noch in eine Lücke am Kai passte. Danach kam die Einladung von Hella zum Eintopf gerade recht. Der absolute Wahnsinn: im Hafen am Tisch neben den Booten inmitten der Häuserkulisse von Allinge , 3.30 Uhr nach 47nm …mehr geht nicht.




3.-6.9. Allinge/ Bornholm

Durch ungünstige Winde folgten hier mehrere Tage Aufenthalt. Bornholm, eine wunderschöne Insel lädt zum Radfahren, Wandern, Schwimmen ein. Für mich ist es der 4. Besuch der Insel und immer wieder ein Traum. Die Ausblicke beim Wandern von den Feldern auf das Meer- hier scheint die Zeit einfach stehen zu bleiben. Eine Wanderung ging von Allinge nach Hammerhavn, an die NW Seite der Insel. Vorbei an einem riesigen Steinbruchmuseum, durch Felder und Wälder, bis zur Ruine von Hammerhus. Diese ist immer wieder einen Besuch wert. Von hier aus gibt es einen klasse Blick auf das Meer und Umgebung. Weiter dann um die Nordspitze der Insel über Sandvik wieder zurück. Ob Paule Muskelkater vom Laufen hat? Seit langem war das nicht mehr so ausgiebig. Abends dann ein Grillen mit Hella und Jan mit Cuba -Zigarre von mir und Rum von Jan. Für besondere Tage eben etwas Besonderes. Am nächsten Tag gab es auf der KETO Kaffee und dann eine weitere gemeinsame Wanderrunde.



7.9. Allinge- Hammerhavn

Doch wie immer beim Segeln kommt der Tag, wo man sich von lieb gewordenen Menschen wieder trennen muss. Ihr Weg führte nach Ystad, mein Plan war, direkt nach Hiddensee überzusetzen. Unter Segel zum heutigen Ziel, ein Blick von der Seeseite zur Burgruine und ab in den Hafen. Mit einem kurzen Rundgang zur Burg endete der Tag. Endlich wieder ein Hafen ohne Stadt und Trubel.



 8.9. Hammerhavn- Hiddensee

Was will bloß der Wecker um 4 Uhr von mir?! Nach Paulerunde ist Start gegen 5 Uhr, Ziel: Koster auf Hiddensee -76nm. Was die Traumfahrt werden sollte, wurde ab 6 Uhr zur Motorüberfahrt, das Allerletzte für mich. Der Wind sollte für die nächsten 4 Tage aus West kommen, da wäre als Alternative nur Warten in Frage gekommen. Wäre auch besser gewesen. Im Tonnenstrich, 20.45 Uhr, wurde ich in einem Grasfeld in der engsten Passage unfreiwillig gestoppt und schaffte nur noch mit Müh und Not und hohem Puls die 1,5nm bis zum Ziel. Fazit des Tages: ein Tag zum Vergessen, unter Motor fahren ist und bleibt ein Hass für mich. Die Farbenspiele des Sonnenunterganges sind jedoch einzigartig und jeder Augenblick ein Foto wert.


 9.-10.9. Hiddensee/ Kloster

Es folgten zwei Tage Wandern und Toben mit Paule. Er liebt die Umgebung, den Sand, Wasser mit Schwimmen, freies Laufen an erlaubten Stellen, sich halt bewegen. Für mich gibt es Arbeit am Boot: die alte Dieselheizung erlebte ihre letzten Stunden an Bord, alle was nicht funktioniert kommt raus…

 11.9. Kloster- Marina Neuhof

Die letzte Fahrt bis zum Heimathafen und damit ist das Ende der Reise nun zur Realität geworden. An Steuerbord sind alle Flaggen der bereisten Länder gezogen, ein bunter Mix. Ich erinnere mich an die schönen Momente und Erlebnisse, die wir erleben durften. Auch die Besonderen in der Zeit meines Einhandsegelns. Vor allem die Begegnungen mit fremden Menschen und die Gespräche, die Hilfen die wir bekamen. Die Funkkontakte zum russischen Zoll (wiewirddaswohlausgehen-aufregend!), die Zeit im Segelklub in Kaliningrad, wo wir zum Vereinsfest eingeladen wurden, an die Taxifahrt in St. Petersburg mit Swen Olaf von der „ELEMENT“ (mit „Stopp“ und „Hände hoch“ …)-  unvergesslich.

Heute muss ich mich fragen, ob wir dies wirklich alles erlebt haben, oder alles ein Traum war.

Ein Traum-  mit Sicherheit!


Zum Schluss bleibt Platz für ein „Dankeschön“: an meine Eltern für das Wecken des Interesses am Segeln, an Anke für die gemeinsame Zeit und das Verständnis für meinen Traum, an Paule für das Erduldete, die vielen Stunden unter Deck.

                                                                  





Dienstag, 10. Dezember 2019

Alles hat ein Ende...(Anke) (4.8. - 8.8.)

 

…Nur unsere Auszeit hat zwei. Ähnlich wie beim versetzten Start ins Sabbatjahr machte der Zwang, zu Beginn des neuen Schuljahres wieder anwesend zu sein, einer gemeinsamen Rückfahrt einen Strich durch die Rechnung. Das war natürlich von vornherein klar und so war der Rückflug am 8.August von Helsinki aus für mich schon lange gebucht. Vier Tage blieben bis zu diesem Termin und diese sollten nicht ausschließlich „Großstadttage“ sein. Also suchten wir eine letzte Zwischenstation vor der Hauptstatt Finnlands und fanden sie auf der Insel Pirttisaari in Svartviken. Fanden ist hier sogar wörtlich gemeint, suchten wir den beschriebenen Steg erst einmal in einer falschen, ausschließlich mit Privathäusern gespickten Bucht. Erst nach einem wenig freundlichen Hinweis eines Anwohners, welcher eifersüchtig seinen Steg bewachte, und einer halben Runde um die Insel zurück, landeten wir an der richtigen Stelle. Auch diese Insel konnte ihren ehemaligen Nutzungszweck nicht verschleiern- Kanonenstationen, Bunker und ein Feuerwehrturm zeugten von einer militärischen Vergangenheit, ja zählt man in Finnland sogar zum „militärischen Kulturerbe“. Für uns allerdings waren die in der Sonne in unbeschreiblichen Farben leuchtende Küste, Baden, Grillen und Wanderungen zum anderen Ende des Eilandes viel bedeutsamer. Dies konnten uns nicht einmal die am Nachmittag einfallenden Boote incl. „lustiger Rentnergruppe“ auf Blaufahrt vermiesen. Blaubeeren satt, eine Badebucht mit herrlichem Sandstrand für uns allein und das Fotografieren von gelb leuchtenden Adern in den Steinen der Küste- für jeden war etwas dabei.


Am nächsten Morgen sollte es nun zur wirklich letzten Etappe meines Segel-Auszeit-Jahres nach Helsinki gehen. Carstens Hoffnungen auf einen schönen Segeltag wurden jäh zerstört: spiegelglatt und Wolkenbilder malend zeigte sich die Ostsee von ihrer ganz stillen Seite. Aber das konnte Carsten, nach einem solch tollen Segelsommer, nicht auf sich sitzen lassen! So wurden beim ersten spürbaren Hauch eines Lüftchens die Segel gesetzt und wir bewegten uns mit wahnwitzigen 2, … Knoten voran. Und so verrückt es klingen mag – das erste Mal in den sieben Monaten auf der KETO störte mich das Vorwärtsdümpeln überhaupt nicht.


In Helsinki gibt es nicht nur einen Hafen. Wir entschieden uns im Vorfeld für die Festungsinsel Suomenlinna, die, während des 18.Jahrhunderts als Flottenstützpunkt gebaut, seit 1991 UNESCO Weltkulturerbe ist. Also eigentlich sind es mehrere durch Brücken verbundene Inseln, welche, von 850 Menschen bewohnt (zählt als eigener Stadtteil von Helsinki), jährlich um die 900000 Besucher anziehen. Nach dem Anlegen gab es gleich die erste Überraschung- auf dem Nachbarboot zeigte sich ein bekanntes Gesicht. Einer der Gäste der tollen Hochzeitstagfeier auf Äggskär (ein Rechtsanwalt, welcher uns beiden seine Dienste anbot, sollten wir mal auf die Idee einer Scheidung kommen…) lud uns kaum 20 Minuten später auf sein Boot zu einem Glas Wein ein (dabei blieb es nicht!), stellte uns seine Tochter vor, um uns dann viel Geld für Paule anzubieten, welchen beide super fanden. Abgelehnt!!! Da hört die Freundschaft auf… Etwas später stromerten wir für ein erstes Kennenlernen durch die Festungsanlagen, genossen Ausblick, Natur und in Stein gehauene Geschichte.


 

Der Fähranleger in Richtung Helsinki inclusive Fahrplan für den nächsten Tag war auch bald gefunden und so konnten wir beruhigt meinen letzten Abend auf der KETO ausklingen lassen. Nur 20 Minuten braucht man von Suomenlinna mit der Fähre in die Innenstadt. Bewaffnet mit einem Stadtplan und einer Auflistung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, ging es als Erstes zu Fuß über eine Art Wochenmarkt in Richtung Bahnhof.


Hier wollten wir meinen abendlichen Weg zum flughafennahen Hotel abchecken, den ich ja dann mit Gepäck allein bewältigen musste. Per pedes ging es weiter, in Richtung Sibelius- Denkmal, durch einen Park. An dieser Stelle sprach uns ein finnisches Fernsehteam an und interviewte uns sogleich, inmitten einer Schar Weißbackengänse stehend, zum Thema „Gänse in der Großstadt“. Durch deren massenhafte Invasion in Parks und Grünanlagen der Städte bzw. ihren „Hinterlassenschaften“ (Bergen von Kot) an Stränden und Ufern von Seen werden sie zunehmend zum Ärgernis für viele Einheimische.

Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass unser Statement in den Abendnachrichten zu sehen sein wird, landeten wir (und viele Busladungen Menschen aus aller Welt) auch bald am Denkmal. Das gehörte nicht zwingend zu den Highlights des Tages, da war der Besuch einer öffentlichen Toilette fast beeindruckender. Ohne einen einzigen Kontakt mit irgendeinem Teil der Innenausstattung und penibel sauber verrichteten Tür, Spülung, Wasserhahn und Trockner ihre Arbeit, wie von Zauberhand gesteuert, im gewünschten Moment. Space-Shuttle- Technologie wahrscheinlich… Auch ein Besuch der Felsenkirche, einem in Granitfelsen hinein gebautem Gebäude mit 180 Fenstern, 5 bis 8m hohen unbehauenen Wänden und einer Kuppelhöhe von 13 Metern, stand auf dem Plan. Leider musste Carsten mit Paule vor der Tür bleiben. So genoss ich die besondere Akustik (Chor mit Orgelbegleitung) ganz für mich alleine.

Im unmittelbaren Zentrum der finnischen Hauptstadt warfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf das Wahrzeichen der Stadt- den weiß leuchtenden Dom. Auf den Treppen und dem davorliegenden großen Platz trafen sich Einheimische, schoben sich Reisegruppen, immer dem obligatorischen Schirm folgend, durch die Menge und die ein- oder andere Musikgruppe verzauberte die Vorbeilaufenden mit ihrer Kunst.

Unter den Klängen der Lieder des Musicals „Phantom der Oper“ ging es, doch recht pflastermüde, mit der Fähre zurück zur Festungsinsel. Und dann verflog die Zeit fast unwirklich schnell. Ein letzter Kaffee an Bord der KETO für mich, der traurige Abschied für mindestens vier Wochen von Carsten und Paule, mit Fähre und Zug zur letzten Übernachtung ins Hotel … 4.30 Uhr Frühstück und schon startete der Flieger pünktlich 7.00 Uhr in der Frühe in Richtung Heimat. Das Mittagessen gab es schon in Dresden…

Montag, 9. Dezember 2019

Keine Zeit für Eile (2) (31.7.- 4.8.)

 

 

Äggskär hieß unser nächstes Ziel (31.7.) und war wieder ein Naturhafen, inmitten dreier Inseln gelegen. Einen der sichtbaren Stege wählten wir aus und bewegten uns langsam und vorsichtig an die Mooringtonne heran. Das Anlegemanöver funktionierte, allerdings piepte plötzlich der Flachwasseralarm los. Ein Blick auf die Anzeige vermeldete 1,20m- bei einer Bootstiefe von 1,40m eigentlich unmöglich. Carsten tauchte vorsichtshalber zum Kiel hinab und stellte eine Bodenfreiheit von 20cm fest. Da war wohl bei der Einstellung sehr großzügig über den Daumen gepeilt worden…Paule nahm die Insel tobend in Besitz, wir später die superausgerüstete Grillhütte (diesmal war sogar ein Holzspalter vor Ort).




Obwohl Porvoo, die zweitälteste finnische Stadt, nicht gerade in den Außenschären, sondern weit nördlich auf dem Festland liegt, machten wir einen Abstecher dahin (1.8./2.8.). Oliver, der finnische Segler, welchen wir in Kotka trafen, lebt unweit dieser Stadt und Carsten verabredete ein Treffen mit ihm. In einem schmalen Tonnenstrich ging es vorbei an Schilfflächen und Sommerhäuschen den Fluss Porvoonjoki  mehrere Meilen ins Landesinnere. Eine Stunde nach Ankunft stand Oliver schon vor der KETO und bot uns an, erst einmal mit seinem Auto den sicher nötigen Einkauf zu erledigen. Dieses Angebot konnten wir nur dankend annehmen, da auch Getränke auf der Einkaufsliste standen. Nach einem gemeinsamen Käffchen und später einem schnellen Abendbrot waren wir wieder um viele hilfreiche Informationen reicher. Bei einem ausgedehnten Spaziergang bummelten wir am nächsten Tag durch die gepflegte und bunt leuchtende Holzhausaltstadt. Anders als letztes Jahr in Rauma, wo in der Altstadt vor allem tourismusorientierte Geschäfte und Gaststätten zu finden waren, hatten hier normale Wohnhäuser und Höfe die Überhand. Erst in den alten Speicherhäusern am Fluss lösten sich Minilädchen und Cafés ab.



Am Nachmittag fanden wir dann sogar einen Hundespielplatz für Paule, d.h. ein eingezäuntes Gelände, wo Hunde ohne Leine miteinander rennen und spielen konnten. Da wir, wegen Paule, auf einen Steg zum Anlegen angewiesen waren (das Beiboot begleitet uns unaufgepumpt auf dem Vorschiff…) und bis Helsinki diese Möglichkeit nicht häufig gegeben ist, beschlossen wir, noch einmal zur Inselgruppe Äggskär zu segeln. Diesmal sollte es einfach, wegen der Abwechslung, ein anderer Steg sein. Genauso passierte  es und nach fünfminütigem Runden drehen vor der Landestelle wurde sogar gerade eine Mooringtonne frei.  Noch ahnten wir nicht, was für ein besonderer Abend uns bevorstand. Erst einmal füllte sich der Steg mit immer mehr Booten. Am Ende des Abends quetschten sich ganze acht davon um den kleinen Steg mit vier Tonnen! Wie wir erfuhren, gehörten die meisten  zu einer Gruppe von Freunden, welche den 3. Hochzeitstag eines der Pärchen gemeinsam auf der Schäre feiern wollten. Schnell kam man ins Gespräch und eine Vorsegelreparatur plus alkoholisches Getränk später waren wir zur abendlichen Feier eingeladen. Dieser gestaltete sich bald, nicht nur kulinarisch, zu einem Höhepunkt unserer Reise. Über dem offenen Feuer gegarte Lammschulter, selbst gebackenes Brot und Salat leiteten den Abend ein. Dazu gab es reichlich „Flüssignahrung“ und bald unterhielten wir uns mehrsprachig über Lebenswege (z.B. eines deutschen Theaterpädagogen, welcher vor 15 Jahren nach Finnland auswanderte und jetzt hier an der Walddorfschule lehrt), Familiengeschichten, Arbeiten und Leben in Finnland und natürlich das Segeln. So, als ob man sich schon ewig kennen würde. Die Chemie stimmte von Anfang an, die Stimmung wurde ausgelassener und nach einem Ortswechsel beim Vorbereiten und Beobachten des folgenden Ganges (am offenen Feuer geräucherte, auf Holz genagelte Lachshälften- 3 Stunden!), wurde der Ruf nach Musik laut. Nachdem beim Gitarrenspieler die Wirkung des Alkoholes nicht mehr zu übersehen war, holte einer der Freunde eine ominöse Kiste von seinem Boot. Diese entpuppte sich als ein 80 Jahre altes Grammophon, welches, mit einer Bierdose als Standhilfe, einfach auf einen Felsen gestellt wurde. Bald tanzte man zu uralter finnischer Musik oder ebenso alten italienischen Opernarien und vergaß das Hier und Jetzt. Und Paule? Der hatte sich mittendrin im Gewühl, nach ausgiebigem Spiel mit den zur Gruppe gehörenden Hunden, einfach eine Kuhle gebuddelt und schlief den Schlaf der Erschöpften. Dieses irgendwie surreal anmutende Erlebnis, vor allem die Begegnung mit so fröhlichen und unkomplizierten Menschen auf einer kleinen Schäre Südfinnlands blieb noch lange Gesprächsstoff und stellte für mich einen würdigen emotionalen Abschluss meines Auszeitjahres dar. Am nächsten Morgen ging es für alle weiter. Für die Finnen war das Wochenende zu Ende und Arbeit und Familien warteten, für uns sollte es noch zu einem letzten Schärenhafen vor Helsinki weitergehen. Herzlichst verabschiedeten wir uns, tauschten Fotos und Videos der Nacht und schon ging es in alle Himmelsrichtungen davon.